Weil sich Facebook offenbar zunehmends von der Konkurrenz – allen voran Twitter und Google+ (Bericht hier) – belagert fühlt, testen die Entwickler fleißig neue Funktionen. Allerdings testen sie diese nicht im stillen Kämmerlein im Hauptquartier in Palo Alto, sondern beziehen Facebook-Mitglieder in die Versuchsläufe mit ein – und das ungefragt. Hasso K. (Name auf Wunsch geändert), Leser dieses Blogs, schickte mir kürzlich einen Screenshot (siehe oben) seiner Facebook-Startseite, auf der eine neue Sektion in der rechten Spalte zu sehen ist. Bei der großen Mehrheit der Mitglieder sind an dieser Stelle noch die Bereiche „Upcoming Events“/“Bevorstehende Veranstaltungen“, „Geburtstage“/“Birthdays“ und „People You May Know“/“Personen, die du vielleicht kennst“ eingeblendet.
„Happening Now“
Über die neue Funktion, die für US-Nutzer offensichtlich „Happening Now“ heißt, schrieb Hasso mir: „Hier wird wirklich alles gezeigt…sei es, dass jemand meiner Kontakte ein Foto von jemanden, den ich überhaupt nicht kenne, kommentiert (Kommentar und Foto würde ich dann sehen können) oder in Gruppen gepostet wird, in denen ich nicht dabei bin etc. etc. Also hier öffnet sich das Gesichtsbuch etwas zu weit, wie ich finde.“ Außerdem stört Hasso vor allem die Art und Weise, wie die neue Funktion in seinem Account eingeführt wurde: „Niemand hat mich gefragt…voll nicht nett vom Zuckerlberg [sic].“
Eine schnelle Google-Anfrage brachte mich zu einem Bericht der Huffington Post. In den USA wird das neue Feature offenbar bereits seit Juni getestet, von seiten Facebook hieß es damals:
„We are currently testing a feature within News Feed that gives people the ability to see what their friends are commenting on and “liking”, as these actions are being taken on Facebook. This test includes a small percentage of Facebook users, just a fraction of a percent. In the coming weeks, as we learn more from this test, we’ll keep making improvements and may expand it to more people.“
Mehr Traffic, weniger Privatsphäre
Hasso gehört jetzt offenbar zu jenem Promille Laborratten, die „Happening Now“ austesten sollen. In Palo Alto werden wohl fließig Klick-Daten von Hasso und einigen Tausend anderen unfreiwilligen Testern ausgewertet, ob man die Funktion später für alle 750 Mio. Nutzer freischalten sollte. Die Absichten hinter „Happening Now“ sind klar: Einerseits will man den Realtime-Streams von Twitter und Google+ näherkommen, der anders als der Newsfeed von Facebook nicht gefiltert wird (mehr dazu hier). Andererseits bietet Facebook mit „Happening Now“ neugierigen Nasen sieben neue Links an prominenter Stelle auf der Startseite an, die zum Anklicken locken. Kleine Rechnung: Wenn die derzeit 750 Millionen Mitglieder auch nur einmal pro Monat auf einen „Happening Now“-Eintrag klicken, um andere auszuspionieren, erntet Facebook 750 Millionen zusätzliche Page Impressions und steigert damit seinen Traffic und die Zeit, die die Nutzer auf der Seite bleiben.
Wichtig zu beobachten wird sein, wie die neue Funktion eingeführt wird. Da man laut Hasso Dinge zu sehen bekommt, die sonst verborgen bleiben, würde mit einer großangelegten Einführung wieder einmal die Privatsphäre der Nutzer aufgeweicht werden. Deswegen sollte Facebook „Happening Now“ als Opt-in und nicht als Opt-out anbieten – wer es will, kann es sich freischalten, alle anderen bleiben beim alten Profil. In der Vergangenheit hat Facebook aber immer wieder bewiesen, dass die Nutzer bezüglich neuen Funktionen nicht gefragt werden (z.B. Gesichtserkennung).