Wenn man über Facebook schreibt, hat man es neben den Wörtern „Privatsphäre“ und „Datenschutz“ meistens mit Millionen und Milliarden zu tun. Wie Kennzahlen zu Nutzern und Firmenwert zustandekommen, habe ich schon einmal in einem Blog-Eintrag erläutert. In dem Börsenprospekt (ein Blogbeitrag dazu hier), den Facebook bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht hat, kommen auch viele Zahlen vor – unter anderem jene, dass sich Facebook derzeit 845 Mio. aktiven monatlichen Nutzern rühmt, 483 Millionen davon sollen täglich mit Facebook in Berührung kommen.
Was heißt hier aktiv?
Dass etwa die Hälfte aller Facebook-Nutzer möglicherweise nur ein einziges Mal pro Monat mit Facebook in Kontakt kommen, macht stutzig. Noch stutziger macht es, wenn man Facebooks Definition eines aktiven Users liest. Auf Seite 44 im Börsenprospekt heißt es:
We define a monthly active user as a registered Facebook user who logged in and visited Facebook through our website or a mobile device, or took an action to share content or activity with his or her Facebook friends or connections via a third-party website that is integrated with Facebook, in the last 30 days as of the date of measurement. MAUs are a measure of the size of our global active user community, which has grown substantially in the past several years.
Im Klartext bedeutet das: Ein Nutzer wird als monatlich aktiv gezählt, wenn er
– einmal einen Like-Button anklickt, der auf einer externen Webseite wie futurezone.at integriert ist
– einen Tweet automatisiert an sein Facebook-Profil weiterleitet
– aus irgendeiner App mit Facebook-Anbindung wie Instagram Content an Facebook weiterleitet
– sich mit seinem Facebook-Logindaten auf einer anderen Seite wie z.B. Pinterest anmeldet
– eine Open-Graph-App wie Spotify nutzt und damit z.B. einen Song teilt
– u.ä.
Es kann also sehr leicht sein, dass ein „aktiver“ Nutzer Facebook.com gar nicht besucht hat und dort weder ein Foto hochgeladen noch eine Statusmeldung geschrieben hat – also nichts von dem gemacht hat, was man sich eigentlich so unter einem aktiven Mitglied vorstellt. Wie die New York Times herausgearbeitet hat, stellt das das Geschäftsmodell von Facebook in Frage, weil all diese aktiven Nutzer möglicherweise nie eine einzige Facebook-Anzeige zu Gesicht bekommen.
Und was ist mit Google+ und Twitter?
Kommunizierte Nutzerzahlen sind auch bei Google+ (offiziell 90 Mio. Nutzer) und Twitter (offiziell 100 Mio. aktive Nutzer) ein Problem. Ex-Wired-Schreiber und Buchautor Kevin Kelly etwa hat in einer Analyse aufgezeigt, dass 36 Prozent all jener 560.000 Google+-Profile, die ihn gecircelt haben, so genannte „Geister“ sind – also niemals etwas gepostet und nicht einmal ihr Profil ausgefüllt haben. Nur 30 Prozent hätten zumindest einmal etwas veröffentlicht.
Bei Twitter sieht es nicht viel anders aus: Die beiden Journalisten John Herrman und Douglas Main des Online-Magazins Popular Mechanics haben ihre eigenen Twitter-Follower untersucht und folgendes herausgefunden: Nur 25 bzw. 60 Prozent ihrer Follower sind echte Menschen, bei 50 bzw. 20 Prozent handelt es sich um Fake-Profile oder Spam-Bots. Sie stellten außerdem fest, dass aktive Twitter-Nutzer mit großen Follower-Zahlen viel mehr Fake-Follower haben als andere Nutzer.
Was bedeutet das für Journalisten und Social-Media-Agenturen?
Natürlich ist man als Journalist, Blogger, etc. stark dazu verleitet, die offiziellen Zahlen der Social-Media-Dienste zu übernehmen, immerhin geben solche Millionenzahlen jeder Story viel Gewicht. Vielleicht sollte man aber von der Annahme abkommen, dass Facebook, Twitter und Google+ alles und jeden vollständig erfassen und entblößen. Und auch Social-Media-Agenturen sollten – sofern sie das nicht schon tun – ihre Kunden ehrlicherweise darauf hinweisen, was Nutzeraktivität im Facebook-Kontext tatsächlich bedeutet.