eBay, Spotify, LinkedIn: Warum alle einen News Feed wie Facebook haben wollen

Nummer US 8171128 B2. Dieses Patent gehört seit dem August 2006 Facebook und beschreibt die Funktion des News Feed – jener zentralen Spalte im Online-Netzwerk, die uns täglich die wichtigsten Updates unserer Freunde und Fan-Seiten präsentieren soll. Diese Funktion ist so mächtig geworden, das nahezu alle anderen Social-Web-Dienste ebenfalls einen News Feed haben wollen. Es geht um die Personalisierung von Content.

Der News Feed von Facebook erinnert mich – natürlich wegen des Worts “Feed” – immer an einen Stall: Die Kühe stehen in einer Reihe mit den Köpfen zu den Futtertrögen und warten, bis diese von einer Maschine gefüllt werden. Bei Facebook ist das nicht viel anders: Täglich loggen sich Hunderte Millionen Menschen ein, und schauen, was der News Feed (also die breite Spalte in der Mitte) so an Meldungen vorbeispült. Aber nicht nur bei Facebook, auch anderswo sollen wir künftig auf diese Art und Weise mit Neuigkeiten gefüttert werden.

Personalisierte Neuigkeiten seit 2006
Kürzlich ist mir eine Presseaussendung des Online-Marktplatzes eBay, die größtenteils ohne Widerhall blieb, ins Auge gestochen. Darin steht: “Der internationale Online-Marktplatz eBay macht mit der neuen, personalisierten Startseite das Einkaufen ab sofort noch einfacher und persönlicher. Mittels eBay-Feed werden jedem eBay-Nutzer individuelle Angebote angezeigt – den jeweiligen Interessen und Vorlieben entsprechend.” Mit seinen virtuellen Kärtchen, die jeweils ein Produkt präsentieren und von oben in mehreren Spalten in die Webseite hineinregnen, erinnert das natürlich an die Foto-Plattform Pinterest, deren Design von vielen anderen kopiert wird. Bei Google+ etwa gibt es seit dem Sommer drei Spalten, in denen der Content sortiert wird, bei Spotify sind es ebenfalls drei Spalten, in denen der Nutzer neue Alben, Bands oder Konzerte vorgeschlagen bekommt. Auch LinkedIn ist auf den Geschmack gekommen, gleicht in seinem Design immer stärker Facebook und will die Nutzer damit dazu bringen, mehr Statusmeldungen als bisher zu veröffentlichen und auch mehr zu konsumieren.

Bei Facebook dient der News Feed, der seit 2006 kontinuierlich weiter entwickelt, heute als Filter. Pro Tag könnte er ungefilterte 1500 News (Statusmeldungen, Fotos, Videos, Links, Seiten-Updates, etc.) anzeigen, tatsächlich bekommt der Nutzer aber nur etwa 20 Prozent (also 300) Meldungen zu sehen. Der so genannte EdgeRank berechnet auf Basis der Nutzerdaten (Freundesliste, Interaktionen, Likes, Kommentare, Interessen, etc.), welche Meldung wahrscheinlich interessant für den Nutzer ist und welche nicht. Facebook hält zwar das Patent auf die Technologie, doch laut Etsy-Technik-Chef Kellan Elliott-McKrea hatte Yahoos Foto-Plattform Flickr bereits 2004 eine ähnliche Funktion, die Nutzer automatisch über neue Fotos ihrer Kontakte informierte.

Algorithmus als Scheuklappe
Das ist natürlich problematisch für unsere Wahrnehmung, weil ein Algorithmus entscheidet, welche Neuigkeiten wir sehen und welche nicht – Eli Pariser hat deswegen auch das Buch “The Filter Bubble” geschrieben, das vor einer verengten Weltsicht durch Facebook und ähnliche Systeme warnt. Facebook versucht deswegen – leider halbherzig – in einem Blog aufzuklären, wie der News Feed funktioniert. Zuletzt etwa führte man das so genannte “Story Bumping” ein, das alte News, die man vielleicht übersehen hätte, wieder nach oben holt. Das soll dazu geführt haben, dass die Nutzer 70 statt nur 57 Prozent der (wohlgemerkt vorgefilterten) News-Feed-Meldungen gelesen haben.

Trotz aller Bedenken setzt sich das News-Feed-Design im ganzen Web immer mehr durch, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Schnelle Info-Häppchen: News Feeds, egal ob bei Facebook, eBay, Spotify oder Google+, sind einfach konsumierbar. Man muss nicht klicken, sondern scrollt sich einfach durch diese unendliche digitale Klopapierrolle, bis man zu den Meldungen kommt, die man schon kennt. Im Stream kann man auch gleich mit dem Content interagieren, ihn sharen, liken, kommentieren oder bei Missfallen verbergen, ohne sich auch nur einmal weitergeklickt haben zu müssen.

2. Bilder, Bilder, Bilder: Der österreichische Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier etwa hat analysiert, dass sich das Medienverhalten der Jugendlichen weg von einer Text-zentrierten Nutzung hin zu einer Bild-zentrierten bewegt. Das Design eines News Feeds kommt dem entgegen, weil die einzelnen Updates sehr einfach mit Bildern anstatt mit Texten befüllt werden können. Jeder Social-Media-Spezialist weiß heute: Wenn die viele Likes bekommen willst, poste ein lustiges Bild. Die Bild-Zeitung heißt ja auch nicht umsonst Bild-Zeitung.

3. Erhöhte Aktivität: News Feeds können dem Nutzer in kurzer Zeit viel Content zeigen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Interessantes dabei ist – der User interagiert, klickt. Der News Feed ist bei Facebook der Hauptgrund, warum die Menschen so viel Zeit in dem Online-Netzwerk verbringen, und neben der Such-Funktion “Graph Search” und den “Timeline”-Profilen der Nutzer eine der drei Säulen von Facebook.

4. Personalisierung: News Feeds bieten Web-Firmen die Möglichkeit, den Content zu personalisieren – also vorzufiltern. Facebook will als “personalisierte Zeitung” (© Zuckerberg) nur relevante News anzeigen, eBay will den Vorlieben des Nutzers entsprechende Produkte präsentieren, LinkedIn passende Stellenangebote usw. Algorithmen bieten die Möglichkeit zur Komplexitätsreduktion, und der Nutzer fühlt sich in der maßgeschneiderten Welt wohl, weil er weniger häufig mit im widerstrebenden Themen konfrontiert wird – so zumindest die Theorie.

5. Mobile: News Feeds sind auch Design-technisch unheimlich praktisch. Die boomenden mobilen Geräte – von Smartphone bis zum Tablet – werden vorrangig im Hochformat (“portrait mode”) gehalten, und da ist ein Stream praktischer als viele Spalten nebeneinander. Das neue Facebook-Design des News Feeds sieht auf kleinen Screens sehr ähnlich aus wie auf großen Desktop-Bildschirmen. In der rechten Spalte sind eigentlich keine wichtigen Elemente mehr, deren Weglassen gar nicht weiter auffällt.

6. Native Adervtising: Last but not least: die Werbung. News Feeds – und das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum sie so beliebt sind – bieten die Möglichkeit, so genannte native Ads unter den restlichen Content zu mischen. Diese Netzreklame sieht den anderen, unbezahlten Updates sehr ähnlich und unterscheidet sich oft nur durch das kleine Wörtchen “sponsored”. Das ist für die Werbeindustrie ein wichtiger Schritt. Denn bis dato kannte man Online-Werbung zumeist als die Banner und Skyscraper, die oben und rechts an die eigentlichen Webseiten gepappt wurden. Bei Native Advertising wandern die bezahlten Anzeigen in die Mitte der Webseiten und sind laut Anbietern wie Yahoo, Google oder eben Facebook weit weniger störend. Für den Nutzer ist das auch nachteilig, weil er die Werbung nicht mehr so einfach als solche erkennt – hier wird hart an der Grenze zur Schleichwerbung agiert. Oder in den Worten der Nutzungsbedingungen von Facebook: “Du verstehst, dass wir bezahlte Dienstleistungen und Kommunikationen möglicherweise nicht immer als solche kennzeichnen.”