Bei meiner Erkundung der Londoner Start-up-Szene vor einigen Wochen (eine große Reportage gibt es hier zu lesen) ist mir vor allem eine Jungfirma in Erinnerung geblieben: TransferWise. Untergebracht im hippen Start-up-Bezirk Shoreditch mit langen Holztischen, vielen Apple-Computern und stylischen Ledersofas (siehe Bild oben) unweit des berühmten “Silicon Roundabout”, will man von hier aus die Finanzwelt ins Wackeln bringen. Die beiden Gründer Taavet Hinrikus (Ex-Skype) und Kristo Käärmann (Ex-PwC, Ex-Deloitte) haben nämlich eine Lücke im System entdeckt, die sie für sich ausschlachten: internationale Überweisungen.
Das ist auf den ersten Blick nicht unbedingt sexy, weltweit gesehen aber ein Riesenmarkt. Traditionelle Banken, argumentiert TransferWise, würden bis zu fünf Prozent Gebühren verrechnen, TransferWise selbst aber nur 0,5 Prozent. Man wäre also bis zu zehn Mal günstiger: Bei einer Überweisung von 1000 US-Dollar würde man im Vergleich zu einer Bank 23,27 Euro sparen.
Ein simpler Trick hebelt Banken aus
Der Trick: TransferWise täuscht den Geldtransfer nur vor. Wenn man etwa von Großbritannien nach Deutschland 100 Pfund überweisen will, dann sucht TransferWise einen ähnlichen Betrag, den ein Deutscher nach Großbritannien überweisen will. Dann kann TransferWise parallel zwei Überweisungsvorgänge in der jeweils selben Währung machen und seinen Kunden den jeweils besten Wechselkurs bieten. Das macht Auslandsüberweisungen, die vor allem Unternehmen oft und zu großen Beträgen tätigen, unheimlich viel billiger – und ist für TransferWise, die 0,5 Prozent Vermittlungsgebühr verrechnen, offenbar ein gutes Geschäft.
Wie sie die Idee hatten, beschreiben die beiden Gründer Hinrikus und Käärmann folgendermaßen: “Taavet wurde in Euro bezahlt, lebte aber in London. Kristo bekam sein Gehalt in Pfund, hatte aber eine Hypothek in Euro und verbrachte viel Zeit in Belgien. Also überlegten sich die beiden eine Strategie: Jeden Monat schauten sie bei Reuters nach dem aktuellen Mittelkurs, um einen fairen Wechselkurs zu ermitteln. Kristo überwies Pfund auf das britische Bankkonto von Taavet, und im Gegenzug stockte Taavet das belgische Konto seines Freundes mit Euro auf. Beide bekamen die Währung, die sie brauchten, und keiner von ihnen zahlte auch nur einen Cent an Bankgebühren.”
25 Millionen Euro für die Expansion
Weil TransferWise mit seinem cleveren Ansatz drauf und dran ist, die Finanzwelt aufzumischen, haben heute zwei sehr prominente Investoren bekannt gegeben, insgesamt 25 Millionen Dollar in das Start-up zu investieren. Niemand geringerer als Sir Richard Branson und Peter Thiel (Valar Ventures, er gab Mark Zuckerberg seine ersten 500.000 Dollar) haben heute, Dienstag bekannt gegeben, gemeinsam mit Index Ventures frisches Kapital in das Start-up zu pumpen. Insgesamt will TransferWise mehr als eine Milliarde Euro bewegt und seinen Kunden rund 50 Millionen Euro an Gebühren erspart haben.
Wie weit es TransferWise aus seiner Nische heraus noch schaffen wird, bleibt abzuwarten. Denn wenn man Auslandsüberweisungen dermaßen verbilligen kann, was kann man dann für Online-Shops, Online-Banking, Online-Trading oder Bitcoin tun? Spannend finde ich, dass die beiden Gründer ein sehr simples Credo gewählt haben: “Geld soll frei fließen können”. Das erinnert ein wenig an die Leitsätze von Mark Zuckerberg (“Make the world more open and connected”) oder Google (“Organize the world’s information and make it universally accessible and useful”). Die kleine Firma glaubt jedenfalls fest an ihre Idee und sieht sich auf einer Mission: Ihre aggressiven Werbeslogans wie “F¥€K”, “$€ANDAL” oder “DA¥£IGHT ROBB€R¥”, die man in London überall zu sehen bekam, machen sehr deutlich, dass sie das aus ihrer Sicht kranke Bankenwesen von Grund auf revolutionieren wollen. Mal sehen, wie weit sie es schaffen.
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