Endlich darf die Welt aufatmen: Apple hat jetzt wie alle anderen Smartphone-Hersteller auch zwei große Geräte im Programm. Wer von der Apple-Präsentation vor einigen Wochen Innovationen erwartet hat, der hat die Firma aus Cupertino nicht verstanden. Apple bringt eigentlich nie völlige Neuheiten auf den Markt (schon vorher gab es Tablets, Smartwatches oder MP3-Player), aber zugegebenermaßen sind die Kalifornier ganz gut darin, Hightech zu perfektionieren und die Masse scharf darauf zu machen – immerhin designt ja auch der von der Queen zum Ritter geschlagene Johnathan Ive für das Unternehmen.
Biegsamer, aber auch leichter und dünner
So auch beim iPhone 6 und seinem Phablet-Onkel iPhone 6 Plus, die ich eine Woche lang ausprobieren durfte (thx T-Mobile). Einmal abgesehen von der eher überzogenen #Bendgate-Affäre (auch das HTC One M8 verbiegt sich laut Consumer Reports) und meiner eigenen Erfahrung, dass sich auch das Nexus 5 gerne verbiegt (und kaputt ging), hat Apple durchaus solide Geräte abgeliefert. Mit seinen Rundungen, dem Aluminium-Rücken und dem 4,7-Zoll-Display spricht mich das iPhone 6 durchaus an. Im Vergleich zu anderen Top-Smartphones von Samsung, LG, Sony oder HTC ist es einen Tick leichter und dünner, aber auch ein wenig kleiner. Die Front ist klassisch iPhone, der Rücken kann, muss aber nicht gefallen. Mich stört dabei weniger die hervorstehende Linse der Kamera, sondern mehr die Kunststoffrillen, die die schöne Optik des Aluminiums brechen.
Größeres Display macht Sinn
Am Display, dass zwar weniger Pixel (1334×750 und nicht 1920×1080 wie viele andere Geräte) als andere Android-Smartphones ähnlicher Größe hat, gibt es eigentlich nichts zu meckern – schöne Farben, einwandfreier Touchscreen, gute Kontraste. Im Freien spiegelt es zwar manchmal, aber die gewachsene Diagonale kommt meiner Nutzung (ja, ich hab` mir schon mal einen ganzen Netflix-Film reingezogen) entgegen. Ein größerer Screen ist fürs Internet-Surfen, Videos-Schauen, News-Lesen, Fotos kucken oder Maps-Navigieren einfach sinnvoll. Theoretisch hat man auch pro Seite mehr Platz für Apps als am iPhone 5 – ich habe die Anzeige aber auf größere App-Symbole umgestellt, denn so viele Applikationen brauche ich nicht auf der Startseite.
Die Bedienung mit einer Hand ist beim iPhone 6 (nicht beim iPhone 6 Plus, dazu später mehr) noch halbwegs möglich. Apple hat zudem die so genannte “Reachability”-Funktion eingeführt – ein Doppeltipper (nicht drücken!) auf den Home-Button lässt die Apps oder die Anzeige einer offenen App nach unten in optimale Daumenreichweite fahren. Das sieht dann so aus:
Störend: Akkuleistung und Lightning-Anschluss
Was mich mehr am iPhone 6 stört als #Bendgate ist der Umstand, dass Apple einen eher schwachen Akku eingebaut hat – laut iFixit hat er nur 1810 mAh. Bei mir muss das Apple-Gerät etwa alle eineinhalb Tage an die Steckdose. Aktuelle Android-Smartphones kommen heute oft weit über die 2000-mAh-Grenze, sind dafür aber auch etwas größer, schwerer und dicker. Ebenfalls störend: Apple verbaut weiter seinen eigenen Lightining-Anschluss zum Laden und nicht den Micro-USB-Anschluss, den heute eigentlich alle anderen Smartphones haben. Leider zwingt die EU Apple erst ab 2017, ein einheitliches Ladegerät für seine Smartphones und Tablets zu verbauen, bis dahin muss man mit dem proprietären Apple-Anschluss klarkommen (und sich bei Verlust ein Lightning-Kabel um 19 Euro nachkaufen).
Ein paar Worte zur Leistung: Hier scheut Apple den direkten Zahlenvergleich mit der Konkurrenz, was RAM und Ghz-Leistung des Prozessors angeht. Aus Berichten weiß man aber, dass im iPhone 6 ein 1,38-Ghz-Doppelkern und 1 GB RAM werken, was doch deutlich unter der Leistung konkurrierender Android-Geräte liegt. Im Alltag merkt man diese zahlenmäßig Unterlegenheit aber nicht – das Gerät reagiert flott und stockt nur sehr selten, etwa, wenn man viele Tabs im Browser offen hat.
Toll hingegen ist die Kamera. Die hat auf dem Papier zwar nur 8 Megapixel, aber Megapixel sind sowieso nicht der alles entscheidende Faktor. Die Kamera fokussiert sehr rasch, liefert schöne, farbkräftige Bilder ab und erlaubt auch das Aufnehmen von 1080p-Videos, was im neuen Zeitraffer-Modus spannend ist. Hier ein Beispiel-Video von der Wiener Mariahilferstraße (Qualität kann man bis auf 1080p raufdrehen):
Ein paar Worte zum iPhone 6 Plus
Mit seinem 5,5-Zoll-Display ist mir das Apple-Phablet (Kunstwort aus “phone” und “tablet”) eindeutig zu groß. In der Hosentasche fühlt es sich unangenehm an, und es verlangt trotz “Reachability”-Funktion eigentlich trotzdem sehr oft die Zwei-Hand-Bedienung. Videos kucken oder Games sind auf dem großen HD-Display natürlich eine Freude, doch andere Apps wie Facebook oder Twitter wirken doch sehr aufgeblasen. Unbedingt elegant sieht es außerdem auch nicht aus, wenn man sich das Phablet zum Telefonieren an den Kopf hält. Klasse hingegen ist die Akkuleistung des Riesen-iPhones, mit dem man locker zwei Tage durchkommen sollte. Dass wie auch beim iPhone 6 die Kamera aus dem Gehäuse hervorsteht, ist zwar nicht hübsch, aber immerhin sinnvoll: Sie hat nämlich einen optischen Bilstabilisator, was bedeutet, dass die Blende bei schlechtem Licht länger offen bleiben kann und so bessere Bilder entstehen.
Eine Option ist das iPhone 6 Plus für Leute, die sich gerade die Anschaffung eines neuen Smartphones und eines Tablets überlegen – mit dem Phablet schlägt man einen durchaus akzeptablen Mittelweg ein, der sowohl unterwegs als auf der Couch funktionieren kann. In die Gesäßtasche sollte man es dann aber wegen Verbiegungsgefahr beim Draufsitzen aber nicht packen.
Fazit: Aber bitte mit Android
Für mich kommt eigentlich nur das iPhone 6 in Frage, das iPhone 6 Plus ist mir zu teuer und zu groß. Design und Hardware des iPhone 6 sind aus meiner Sicht sehr gelungen und entsprechen dem, was man sich Ende 2014 von einem Smartphone erwarten kann. Billiger wäre natürlich schön, aber bei Apple zahlt man eben auch die Brand. Da ich vor etwa einem Jahr auf Android gewechselt bin und zwischenzeitlich auch Windows Phone verwendet habe, wäre die unerfüllbare Traum-Kombination: iPhone 6 mit Android. iOS hat sich aus meiner Sicht nicht wesentlich weiterentwickelt und ist hinter Googles mobilem Betriebssystem zurück geblieben.
Punkten kann Apple bei mir zwar mit seinem Commitment zu Datenschutz (DuckDuckGo als Suchmaschinen-Option, Datenzugriffs-Kontrolle bei Apps, Verschlüsselung der Daten), doch rein auf funktionaler Ebene ist Android nicht so starr wie iOS. Es gibt nützliche Widgets, man kann die Software sehr stark personalisieren, und (eigentlich eine simple Sache) man kann seine Apps auf den Screen legen, wo man will. Bei iOS ordnen sich die Apps immer automatisch von oben nach unten, und Apple musste deswegen eine Funktion wie “Readability” einführen, damit sie nach unten in den Daumenbereich fahren. Solche Problemchen hat man bei Android nicht.
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