Videogeschäft im Netz: Facebook und Twitter wollen den Marktführer YouTube grillen

Ist YouTube noch der heiße Scheiß?  © Maurits Knook (CC BY 2.0)

Ist YouTube noch der heiße Scheiß? © Maurits Knook (CC BY 2.0)

Mehr als eine Milliarde Nutzer pro Monat, sechs Milliarden Stunden Videokonsum pro Monat und 100 Stunden neues Videomaterial pro Minute: Googles YouTube ist auch 2015 noch der unangefochtene Video-König im Netz. Doch wie lange noch? Facebook, Twitter und Snapchat drängen ebenfalls ins Geschäft mit Netzvideos und investieren viel in den Ausbau ihrer Angebote. Mit dem Push in Sachen Bewegtbild könnten sie neue Einnahmequellen erschließen, sich aber auch neue Probleme einhandeln.

Social Networks als Video-Plattformen

Die Betreiber der führenden Social Networks wollen, dass wir auf ihren Webseiten und in ihren Apps mehr Videos kucken. An der US-Westküste wird zu diesem Zweck aufgerüstet, allen voran Facebook. Die Firma hat kürzlich das Startup Quickfire Networks übernommen, das sich auf die Komprimierung von Videodaten und die Beschleunigung von Video-Uploads spezialisiert hat, und wird Team und Software fortan für sich arbeiten lassen. Der Push seiner Videofunktionen wurde begleitet von einer eigenen Aussendung, die den Videokonsum der Facebook-User bejubelt: Pro Tag würden Nutzer eine Milliarde Clips ansehen, im letzten Jahr sei die Anzahl der Video-Posts pro Kopf um im Schnitt 75 Prozent gestiegen, und die Anzahl der Videos im News Feed soll 2014 etwa 3,6 Mal höher gewesen sein als 2013.

Diese Zahlen sind imposant, aber auch mit Vorsicht zu genießen: Zum einen müssen User nicht immer auf “Play” klicken, um ein Video zu starten, vielmehr starten die Clips von selbst, wenn sie am Bildschirm auftauchen – das erhöht die Nutzung künstlich. Zum anderen werden bei Facebook immer noch viele Clips von den Plattformen Dritter verbreitet – allen voran YouTube und Vimeo.

20 Sekunden statt 140 Zeichen

Facebooks Konkurrent Twitter will ebenfalls Videofunktionen anbieten. Wie Recode berichtet, soll bereits in wenigen Wochen das Posten von maximal 20 Sekunden langen Clips möglich sein, die man via Smartphone hochladen bzw. mit der nativen Twitter-App drehen kann. Twitter rückt auch immer wieder in den Vordergrund, dass man mit Vine eine starke mobile Video-Plattform anbietet, bei der täglich 12 Millionen Clips veröffentlicht werden. Auch dank der einfachen Einbettung der Spots in die Webseiten Dritter sollen so pro Monat 100 Millionen User Vine-Videos zu Gesicht bekommen.

Nicht vergessen in dem Rennen ums Videogeschäft sollte man die Facebook-Töchter WhatsApp und Instagram. Über die grüne Messaging-App werden täglich mehr als 100 Millionen Videos versandt. Bei Instagram sind viele Millionen der täglich rund 70 Millionen Uploads Videos – wobei das Gros der Nutzer wohl eher Fotos als Bewegtbilder produziert. Im Videogeschäft mitmischen will auch Snapchat aus Los Angeles: Im Mai 2014 haben die Betreiber der bei Jugendlichen populären Messaging-App still und heimlich das Video-Startup AddLive für 30 Millionen US-Dollar gekauft, das sich auf Videochat spezialisiert hat.

Clips im Hochformat kommen

Dass Facebook, Twitter und Snapchat ihre Videoangebote stärken, wird 2015 Implikationen auf Social Media im Allgemeinen haben. Da ist einmal der Mobile-Aspekt: Videos am Smartphone werden oft nicht im Querformat, sondern im Porträt-Modus gedreht. Im Desktop-Web wirken diese hochformatigen Clips, die in querformatigen Playern dargestellt werden und links und rechts hässliche schwarze Balken haben, gelinde gesagt befremdend. Doch ihr Konsum am Smartphone, das man zumeist im Hochformat hält, macht dann doch Sinn. Bei Facebook werden 65 Prozent der Videos mobil angesehen – dementsprechend viele hochformatige Clips werden wir 2015 sehen.

Für die Betreiber der Social Networks und Messaging-Apps geht es bei Videos um viel Geld. Zum einen müssen sie viel in Server investieren, um die Unmengen an Daten zu speichern, zum anderen tun sich neue Einnahmequellen auf. Derzeit ist die Google-Tochter YouTube der Marktführer beim Video-Advertising und macht Milliarden mit Werbespots, die vor die Videos geschaltet werden. Für YouTube sind Facebook und Twitter mittlerweile wichtige Verbreitungskanäle seines werbefinanzierten Video-Content – wenn die beiden Social Networks nun ihre eigenen Videoprodukte ausbauen, könnte das YouTubes Einnahmen drücken.

Zensur und Copyright

Facebook und Twitter wiederum könnten mit mehr Videoinhalten die Nutzungszeit ihrer User erhöhen und außerdem Werbung rund um die Clips schalten. Bewegtbildwerbung ist für Firmen und Marken ein besonders wichtiger Kommunikationskanal, weil in Videos anders als in Bannern oder Textanzeigen Emotionen transportiert werden können, die wesentlich zur Kundenbindung und Imagebildung beitragen. Insofern ist es nur logisch, dass die werbefinanzierten Social-Media-Riesen 2015 voll auf Videos setzen.

Der Ausbau von Videofunktionen ist für die Social Networks aber auch ein Spiel mit dem Feuer. Je mehr User Clips hochladen, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch urheberrechtlich geschütztes Material veröffentlicht wird. YouTube wurde etwa in Österreich vom TV-Sender Puls 4 verklagt, weil es Geld mit Werbung verdient, die rund um von Fremden hochgeladenen Puls-4-Content geschaltet wird. Ähnliche rechtliche Probleme könnten so auch Facebook und Twitter treffen. Außerdem stellt sich aktuell die Frage der Medien- und Meinungsfreiheit: Das Video aus Paris, das zeigt, wie die “Charlie-Hebdo”-Attentäter einen Polizisten erschießen, ist bei YouTube und Facebook unzensiert in voller Länge zu sehen, während viele europäische Medien davon Abstand nahmen, die schrecklichen Bilder zu zeigen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg schreibt sich groß auf die Fahnen, die Meinungsfreiheit verteidigen zu wollen, sagt aber nichts dazu, dass sein Social Network auf Anfrage von Staaten wie Pakistan, Indien oder der Türkei tausende Inhalte löscht – hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

Dieser Artikel ist zuerst
bei Netzpiloten.de erschienen.

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