Ich kann die Geschichten, dass neue Social Networks, insbesondere jene für Firmen, der Tod der E-Mail sein werden, nicht mehr lesen. Ob es nun ältere Systeme wie Yammer (in Besitz von Microsoft), Chatter (Salesforce) und Podio oder neuere Dienste wie Slack, HipChat oder Facebook At Work sind: Es stimmt einfach nicht, dass diese Enterprise Social Networks das Ende der altehrwürdigen elektronischen Post sein werden. Es mag zwar sein, dass man in der Arbeitswelt mit seinen Kollegen künftig vermehrt über Facebook-ähnliche Plattformen kommunizieren wird. Denn um sich bei diesen und anderen Diensten anzumelden und von ihnen Benachrichtigungen erhalten zu können, braucht man – oh süße Ironie – natürlich eine E-Mail-Adresse.
Social Logins
Google, Facebook und auch Twitter mögen ein Rennen um die so genannten Social Logins führen – also Systeme, die das Einloggen in neue Web-Dienste oder Apps via Facebook-, Google- oder Twitter-Account erlauben. Social Logins dienen Drittanbietern als Möglichkeit, dem neuen User ein einfaches und schnelles Anmelden zu erlauben, und in der Regel bekommt er Daten wie Name, Profilbild oder und (natürlich!) E-Mail-Adresse von den ID-Systemen geliefert. Selbst auf großen Webseiten mit Millionen Usern wie Uber, Spotify, Pinterest, Netflix, New York Times, Runtastic oder Soundcloud gibt es diese Social Logins.
Der Witz an der Geschichte ist, dass diese und viele andere Dienste dem User den Login via E-Mail-Adresse ersparen können, nicht aber die Anbieter dieser Social-ID-Systeme. Facebook, Google, Twitter – Accounts dort bekommt man nur mit einer E-Mail. Denn irgendwie müssen sie den User ja eindeutig identifizieren, weswegen man ein Willkommen-Mail mit Bestätigungs-Link zugesendet bekommt. Richtig verrückt wird die Sache, wenn man sich überlegt, wie viele hunderte Millionen Nutzer bei Facebook mit einer Gmail-Adresse angemeldet sein müssen. Facebook muss das ein Dorn im Auge sein: Denn das Social Network verschickt täglich Millionen Benachrichtigungs-E-Mails an Gmail-Nutzer, und Google (Facebooks größter Konkurrent am digitalen Werbemarkt) kann diese Mails dann auch noch mit Werbung veredeln.
Mobile schreit nach Telefonnummer
Mit dem schnellen Switch der Internetnutzung auf Smartphones könnte aber bald die Frage beantwortet sein, was nach der E-Mail kommt. Nein, es wird kein neuartiges Anmeldesystem sein, sondern eine ziemlich alte, simple Sache: Die Telefonnummer. Der Aufstieg von Messaging-Apps wie WhatsApp, Telegram, Line, WeChat oder Viber zeigt das nur zu gut. Sie alle identifizieren den User über seine Handynummer, denn die ist einmalig auf der Welt und kann in vielen Fällen eindeutig einer Person bzw. einem Gerät zugeordnet werden. E-Mail-Adressen lassen sich einfachst zu Dutzenden anlegen, um mit ihnen Fake-Accounts in Social Networks anzulegen. Sicher lassen sich auch mit Telefonnummern falsche Accounts kreieren, nur ist das erheblich mühsamer und auch teurer – weil man sich eine SIM-Karte besorgen und bezahlen muss.
Wohl angefacht durch den Erfolg von Messaging-Apps (der bekannte Internetinvestor Fred Wilson meint bereits: “Messaging is the new social media”) haben Facebook und Twitter die Zeichen der Mobile-Ära erkannt. wer sich am Smartphone einen neuen Facebook-Account anlegt, der kann sich auch mit seiner Telefonnummer registrieren lassen. Twitter will die Rufnummer überhaupt zum ultimativen Identifikator für Internetnutzer machen. Für App-Entwickler bietet Twitter mit Digits ein System an, dass User eben via Telefonnummer erkennt und anmelden lässt – das funktioniert derzeit in 191 verschiedenen Ländern und 28 verschiedenen Sprachen, und seit neuestem auch auf mobilen Webseiten. Die Power der Telefonnummer haben auch bereits andere Start-ups erkannt: Affirm, ein Kreditvergabe-Start-up von PayPal-Mitgründer Max Levchin, identifiziert seine User auch per Telefonnummer.
"Where the hell are you?": VoIP-App lokalisiert Anrufer