667 Mission Street in San Francisco, Kalifornien. Zwei Mal war ich bereits auf Recherchen in der Stadt an der US-Westküste, die mir als Sprungbrett ins Silicon Valley südöstlich diente, um dort Web- und Hightech-Firmen zu besuchen. Die Mission Street ist eine der wichtigsten Straßen von San Francisco, und kaum jemand, der die Stadt besucht, betritt sie nicht. Auch ich bin mehrmals zu Fuß oder im Auto auf der Straße unterwegs gewesen, und auch bei Hausnummer 667 vorbei gekommen. Damals habe ich dem Backsteingebäude keine Aufmerksamkeit geschenkt – aus heutiger Sicht hätte ich das besser tun sollen. Denn 667 ist die Adresse der Web-Firma Rapleaf, zu der ich – und mit mir wahrscheinlich viele Millionen Menschen – eine Beziehung habe.
Versteckter Datensammler
Der Name „Rapleaf“ tauchte vor einigen Wochen im Zuge des Skandals um die Weitergabe von Daten über Facebook-Nutzer (mein Beitrag zu dem Thema ist hier nachzulesen). Eine der wenigen Firmen, die öffentlich bekannt wurden, war eben jene mit der Adresse 667 Mission Street, San Francisco. Rapleaf hat es sich zur Aufgabe gemacht, Online-Werbung zu personalisieren. „We believe that a more personalized world is a more helpful, efficient, and respectful world“, schreibt Rapleaf-Chef Auren Hoffman etwa im Firmen-Blog. So soll man bessere Empfehlungen bekommen und weniger mit Spam genervt werden, weil die Werbebotschaften maßgeschneidert auf den einzelnen Nutzer sind. Dazu braucht Rapleaf natürlich Daten über Internetnutzer, damit man den Kunden (Werbetreibenden) diese verkaufen kann. Rapleaf versucht also, an folgende Informationen heran zu kommen:
- Wer? Alter, Geschlecht, Beruf, Aufenthaltsort, Familienstatus
- Was? Interessen, Lieblingsmarken, Lebensstil, Einfluss
- Wo? Bevorzugte Webseiten, Profile bei Social-Web-Angeboten
- Mit Wem? Freunde
So weit, so gut. Rapleaf macht nichts anderes als Google, Facebook und tausende andere Werbefirmen auch und erhebt möglichst genaue Daten über Menschen, damit diese mit passgenauer Werbung angesprochen werden können. Jetzt kommt allerdings der schaurigere Teil der Geschichte. Ich habe mich noch nie bei Rapleaf angemeldet, bin nicht bei einem anderen Dienst darauf aufmerksam gemacht worden, dass Rapleaf Daten über mich sammelt, noch habe ich mich einverstanden erklärt, dass ich durch Rapleaf in irgendeiner Art und Weise erfasst werden. Und doch: Als ich mir versuchsweise ein Konto bei Rapleaf angelegt habe (das wird jedem Nutzer angeboten, damit er Einsicht in die über ihn erhobenen Daten bekommt), musste ich feststellen, das Rapleaf mich schon ziemlich gut kennt. Sie wussten von mir:
- Meinen Namen
- Mein Geschlecht
- Mein ungefähres Alter
- Meinen Wohnort
- Meinen Beruf
- Mein Interesse an „Photo Sharing“, „Online Communities“, „Business Networking“, „Online-Shopping“ und „Social Networks“
- Meine Mitgliedschaften bei Twitter und Flickr
Rapleaf gibt mir freundlicherweise die Option, einige oder alle dieser Daten zu löschen. Allerdings wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass die Firma, an der ich zufälligerweise schon ein paar Mal vorbeigefahren bin, diese Daten über mich gesammelt und zu einem Profil über mich zusammengefasst hat, wenn ihr Name nicht im Zuge des Facebook-Datenskandals aufgetaucht wäre.
Es bleibt aber nicht beim Datensammeln – Rapleaf meint, nur meine öffentlich einsehbaren Informationen abzugrasen -, sondern wird auch in Bares verwandelt. Ein Blick in die Einstellungen meines Browsers verriet mir, dass Rapleaf mehrere Cookies unterschiedlicher Laufzeit (manche einen Tag, andere bis 2012) auf meiner Festplatte abgelegt hat. Wenn ich auf eine Webseite eines Rapleaf-Kunden (wird nicht bekannt gegeben) surfe, liest diese in Millisekunden den Cookie und zeigt mir dann auf mich abgestimmte Werbung an. Ein Cookie sieht etwa so aus:
j+ySwcJ/Al1xTGb+Z0iBLh633hmoLu3wqFcLu
In diese Zahlenkombination ist etwa eingeschrieben, wie alt ich bin, wo ich herkomme und welche Interessen ich habe. Dieses so genannte „Behavioural Targeting“ gerät mit Facebook und Google immer mehr in die Kritik. Sogar die EU ist bereits damit befasst und wird voraussichtlich dagegen vorgehen, wie etwa die Futurezone berichtet. Rapleaf ist nicht die einzige Firma, die sich auf dieses Datensammeln hinter dem Rücken der Internetnutzer spezialisiert hat. Die generell sehr verlässliche Datenbank Crunchbase listet die Firmen Axciom und Experian als Konkurrenten.
Die Facebook-Connection
Wie so oft, wenn es um Nutzerdaten und deren Sammlung geht, stößt man auf Facebook. So gibt es eine formale Verbindung zwischen Rapleaf und dem Online-Netzwerk, und die heißt Peter Thiel. Der Risikokapitalgeber aus dem Silicon Valley hat Mark Zuckerberg Startkapital und sitzt heute im Vorstand des Online-Netzwerks. In den Jahren 2006 und 2007 hat er auch bei Rapleaf investiert.