Die Speerspitze der so genannten “Sharing Economy” hat sich neu erfunden: Seit gestern Abend erstrahlt AirBnB im Web und seinen Apps in einem neuen, meiner Meinung sehr ansprechenden Design (natürlich ist es “flat”, responsiv und sehr bildlastig, wie es der Trend verlangt). Ganz vorne an der Image-Front steht aber “Bélo”, das neue Logo der Unterkunftsvermittlungs-Plattform. Laut AirBnB soll es jeder einfach nachzeichnen können und wird als Hybrid aus Herz, Ortssymbol, Männchen und einem “A” beschrieben. Auf Twitter fanden sich einige Nutzer jedoch gleich an wahlweise einen Popo, eine Vagina, einen Penis oder ganz etwas anderes erinnert, aber so ist das nun einmal.
Everybody: It’s a vagina! Or butt! Me: It’s a Trojan horse for an imperialist stance towards urban neighborhoods! pic.twitter.com/US9Omr4wEC
— Julia Wong (@juliacarriew) 16. Juli 2014
Wie auch immer, Bélo leitet sich von “belonging” ab und soll das Zugehörigkeitsgefühl der AirBnB-Community unterstreichen. “Das Gefühl von Zugehörigkeit war schon immer eine fundamentale Antriebskraft der Menschen. Wir haben es früher als selbstverständlich angesehen, uns zu Hause zu fühlen. Städte waren einmal Dörfer. Jeder kannte jeden, und jeder wusste, dass er einen Ort hatte, den er sein Zuhause nennen konnte”, schreibt AirBnB-Gründer Brian Chesky, den ich schon interviewt habe. “In einer Zeit, in der neue Technologien Menschen oftmals auf Distanz halten und Vertrauen aushöhlen, nutzt die Airbnb-Gemeinschaft Technologie, um Menschen zusammen zu bringen.”
Professionalisierung als Problem
Was Chesky nicht explizit ausspricht, ist, dass sich die so oft beschworene AirBnB-Community – 15 Millionen Gäste und 800.000 Unterkünfte – stark entfremdet hat. Ich selbst bin einer der ersten 50 AirBnB-Nutzer und habe im Gründungsmonat des Dienstes, August 2008, meine erste AirBnB-Unterkunft in San Francisco gebucht. Seither habe ich mein Reiseverhalten (und auch das meiner Freunde) sehr stark auf AirBnB ausgelegt und nur mehr ein herkömmliches Hotel gebucht, wenn es nicht anders ging. In den vergangenen sechs Jahren haben ich und andere frühe User aber auch bemerkt, dass sich die Plattform stark verändert hat.
War man anfangs tatsächlich bei fremden Freunden zu Gast und durfte sich bei Locals in den Alltag einklicken (mitsamt gemeinsamen Abendessen, Partys, Ausflügen, etc.), ist AirBnB heute vorwiegend eine Buchungs-Plattform, bei der man statt eines Hotelzimmers ein Apartment, ein Haus oder ein Zimmer bekommt. Bei meinen fast 30 AirBnB-Reisen sind über die Jahre die wirklich privaten Vermieter immer seltener und die Power-Vermieter immer häufiger geworden. Es gibt mittlerweile Geschäftsleute, die Dutzende Wohnungen mieten, über AirBnB weitervermieten und den Aufschlag als Gewinn einstreichen. Die einzigen Locals, die man in deren Unterkünften zu Gesicht bekommt, sind die Putzkräfte, die oft auch gleich die Schlüsselübergabe abwickeln. Diese Professionalisierung hat den Charme von AirBnB, spannende Leute in fremden Ländern kennenlernen zu können, weitgehend ruiniert. Es geht nicht mehr ums “Sharing”, sondern um die “Economy”.
Der einstige Spirit ist verloren gegangen
Diese schnelle Professionalisierung der Gastgeber hat schließlich auch die Gesetzgeber auf den Plan gerufen. In Berlin etwa verbietet ein neues “Gesetz über das Verbot der Zewckentfremdung von Wohnraum” das professionelle Vermieten von Unterkünften, in Österreich erschwert ein neuer Entscheid des Obersten Gerichtshofes die Vermietung von Wohnungen via AirBnB, weil man künftig Wohnungen selbst bei kurzen Vermietungen zu einem Beherbergungsbetrieb umwidmen muss. Auch in vielen anderen europäischen und US-amerikanischen Städten ist AirBnB auf regulatorische Probleme gestoßen.
Dass AirBnB sich in dieser Phase ein neues Image verpassen will und wieder auf Persönlichkeit, Gemeinschaft und Zugehörigkeit macht, zeigt, dass die Gründer wissen, in welch brenzliger Lage sie sich befinden. Sie wollen den einstigen Spirit nicht verloren sehen und versuchen nun, die User wieder mehr mit der Marke AirBnB identifizieren zu lassen und nicht bloß als Zimmer-Suchmaschine wahrzunehmen. Dazu gehört auch, dass sich jeder sein eigenes Bélo-Logo für sein Profil basteln darf, und dass AirBnB-Vertreter durch die wichtigsten Städte – zuletzt auch in Wien – touren, um langjährige User auf den Dienst einzuschwören.
Trotzdem geht´s um Milliarden
Wie glaubhaft AirBnB sein neues Image vermitteln wird können, bleibt abzuwarten. Denn im Hintergrund geht es weiterhin nicht um Gastfreundschaft und Community, sondern um Cash: 500 Mio. Dollar Investment bei einer Bewertung von 10 Mrd. Dollar haben die Gründer laut Techcrunch im April aufgestellt. Einige dieser Dollar sind wohl in das neue Design geflossen.