Facebook-Likes, Twitter-Buttons und Google +1-Knöpfe: Auch im deutschsprachigen Internet sind kaum mehr Webseiten zu finden, die auf die Share-Buttons der drei Internet-Firmen verzichten. Sie versprechen ihnen mehr Traffic, weil die Nutzer über die Knöpfe Online-Inhalte weiterverbreiten können. Die Online-Ausgabe des britische Guardian etwa, der 2013 mit den Edward-Snowden-Leaks für Aufsehen sorgte, bekommt bereits zehn Prozent seines Traffics via Social Media, insbesondere Twitter.
Ex-Googler entwirft Blocker
Doch nicht alle Internetnutzer sind mit den vielen Social-Plugins der Internet-Konzerne glücklich – und schon gar nicht damit, dass in Webseiten oft Dutzende oder noch mehr andere Tracking-Tools eingebaut sind, die anders als die Social-Buttons gar nicht sichtbar sind. Der ehemalige Google-Ingenieur Brian Kennish, der an AdWords, AdSense, Wave und Chrome gearbeitet hat, und der auf “Privacy” spezialisierte Anwalt Casey Oppenheim haben deswegen ihr Browser-Plugin Disconnect (für Firefox, Safari, Chrome und Opera) auf den Markt gebracht, dass den Nutzer auf diese sichtbaren oder unsichtbaren Tracking-Tools hinweist und ihm hilft, sie abzudrehen. So könne man verhindern, dass Nutzungsdaten im Internet von undurchsichtigen Werbefirmen gesammelt, ausgewertet und weiterverkauft werden.
Das Browser-Plugin, dass man sich kostenlos bzw. gegen eine kleine Spende per PayPal, Kreditkarte oder Bitcoin installieren kann, ist ziemlich elegant gemacht. Ein kleines D-Symbol oben in der Browser-Leiste zeigt an, dass Disconnect aktiv ist. Wenn man eine Webseite lädt, wird auf einem kleine grünen Icon angezeigt, wie viele Analyse- und Tracking-Dienste in der Webseite versteckt sind. Auf www.nytimes.com etwa sind laut 12 solcher Dienste eingebaut, auf www.theguardian.com sind es 48, und auf www.techcrunch.com misst Disconnect gar 118 verschiedene Alanyse- Werbe- oder Content-Tools, die von verschiedensten Servern aus das Surf-Verhalten des Besuchers mitlesen wollen. Übrigens: Auf Wikipedia sind es 0.
Webseiten laden schneller
Weil für den durchschnittlichen Nutzer völlig undurchsichtig ist, welche Tracking-Tools da im Hintergrund Daten mitschneiden wollen, verhindert Disconnect automatisch den Zugriff. Das hat den Herstellern auch zur Folge, dass Webseiten im Schnitt 27 Prozent schneller laden und 17 Prozent weniger Bandbreite verbrauchen – im Optimalfall ist man mit dem Browser-Plugin also nicht nur ein wenig anonymer, sondern auch schneller im Netz unterwegs. Spannend ist auch, wie Disconnect selbst mit Nutzerdaten umgeht – nämlich weitgehend gar nicht. Die Datenschutzbestimmungen des Browser-Plugins lesen sich deswegen nicht wie die übliche “Wir wollen alle Rechte”-Lawine, die man sonst auf Webseiten findet, sondern eher wie ein Privatsphäre-Manifest.
Da breite Blockade von Tracking-Tools durch Disconnect aber nicht in allen Fällen sinnvoll ist, kann man auch nachjustieren. Denn wer den Like-Button von Facebook klicken will, Tweets von Artikel-Seiten abschicken oder auch mal auf den +1-Knopf von Google drücken will, der muss Disconnect sagen, dass man den Social Networks den Zugriff erlaubt. Dazu klickt man au das kleine D im Browser und dreht im Drop-Down-Fenster die jeweilige Blockade wieder ab – Facebook-Daumen und Twitter-Knopf poppen auf der Webseite wieder auf. Außerdem nützlich: Man kann Webseiten, denen man vertraut, auf die Whitelist setzen, damit diese fortan vollständig laden können. Ansonsten muss man sich ständig neu bei Facebook, Twitter oder Google einloggen.
Disconnect ist anfangs leider verwirrend, weil die Farbgebung nicht durchdacht ist: “Grün” bedeutet, dass geblockt wird, wer auf “Grau schaltet”, erlaubt den Zugriff. Spannend ist außerdem, einmal oft besuchte Webseiten nach versteckten Trackern zu durchleuchten – immer wieder zeigt sich, dass Analyse-Dienste wie Comscore, Quancast oder Nielsen in Seiten versteckt sind.
Kein Werbe-Blocker
Disconnect sollte man aber auf keinen Fall als ultimativen Schutz vor Tracking sehen. Das Browser-Plugin blockt zwar mehr als 2000 Drittanbieter, doch hat sicher nicht alle auf der Liste. Außerdem ist Disconnect kein Werbe-Blocker wie AdBlock oder AdbLock Edge: Nervige Online-Anzeigen scheinen immer noch auf Webseiten auf, werden aber aufgrund der unterbundenen Datensammelei nicht auf das eigene Surf-Verhalten abgestimmt. Spannend wird außerdem sein, ob es die Macher schaffen, ihre Lösung auch auf Smartphones und Tablets zu bringen, wo immer mehr gesurft wird. Aktuell gibt es eine iOS-App von Disconnect.me, die speziell auf die App-Nutzung von Kindern zugeschnitten ist.