Wenn man über Facebook liest/spricht/hört, kommt schnell der Verdacht auf: „Heutzutage ist ja schon jeder auf Facebook.“ Wer kurz einen Schritt zurück tritt und sich die offiziellen Zahlen ansieht, der kommt zu dem Resultat: Mit 845 Mio. monatlichen Nutzern sind etwa 12 Prozent der Weltbevölkerung in dem Online-Netzwerk registriert, in Österreich etwa 33 Prozent der Bevölkerung Mitglied. Eine Mehrheit sieht anders aus.
Wie ich bereits in meinem letzten Blogpost beschrieben habe, sollte man nicht dem Irrglauben aufsitzen, dass 845 Millionen Facebook-Mitglieder im Minutentakt ihr komplettes Privatleben nach außen kehren. Denn Facebooks Definition eines tagesaktiven Nutzers (da sind wir übrigens bei „nur“ mehr 483 Mio.) sagt, dass der Nutzer irgendwie mit der Facebook-Platform in Kontakt gekommen sein muss. Dazu reicht auch der einmalige Klick auf den Like-Button auf irgendeiner Webseite da draußen oder das einmalige Abspielen eines Spotify-Songs.
Wenn von Wachstumskurven die Rede ist, wird oft übersehen, dass es auch Nutzer gibt, die wieder bei Facebook aussteigen. Solche Wellen hat es immer wieder gegeben, wenn sie auch verhältnismäßig klein sind. In meinem Bekanntenkreis ist mir zuletzt eine Häufung solcher Austritte aufgefallen – das ist noch lange kein Trend und kann purer Zufall sein. Dennoch hat es mich interessiert, warum Guido T., Fabian S. und Jürgen Z. ihren Konten gelöscht haben.
Die Beweggründe
„Das Durcheinanderbrüllen von über 1000 freunden wurde mir unerträglich, zudem waren da etliche Idioten darunter, denen es Spaß machte, mich anzupöbeln. Andere wiederum drängten mir ungefragt details aus ihrem Privatleben auf“, erzählte mir Guido. Der zweite Bekannte, der Facebook den Laufpass gab, hatte einen anderen Grund: „Ich bin bei Facebook ausgestiegen, weil ich zu viel Zeit damit vergeudet habe. Es war ein wenig wie eine Sucht: ich habe x-mal am Tag auf Facebook geschaut, obwohl es mich eigentlich nicht interessiert hat, zu erfahren, wer gerade wo in der Schlange steht oder wem welches neue Musikvideo gefällt. Ich habe das Ganze vor allem als Zeitverschwendung erlebt und konnte nicht recht damit umgehen“, so Fabian. Auch die Firmenpolitik von Facebook kann ein Ausstiegsgrund sein – etwa für Jürgen: „Ich hab mit 500 Kontakten den Überblick verloren und ärgerte mich immer öfter über die Lockerungen der Privatsphäre-Bestimmungen zum Vorteil von Facebook.“
Die Vorteile
Verbesserungen bemerkten meine drei Ex-Facebook-Freunde vor allem in zwei Punkten: Zeitgewinn und Entspannung. „Verbessert hat sich mein Leben schon ein wenig: Ich habe definitiv mehr Zeit, und ich bin eindeutig weniger genervt. Aber der Unterschied zu vorher hält sich in Grenzen. Ich habe ja trotz allem maximal 20 Minuten am Tag auf Facebook verbracht“, so Fabian. Mehr freie Minuten hat auch Jürgen gewonnen: „Ich finde wieder mehr Zeit für Outdoor-Aktivitäten wie Laufen und Radfahren und nehme mir Zeit, mich mit meinen engsten Freunden einfach persönlich zu treffen.“ Und Guido brachte es ganz einfach auf den Punkt: „Ich muss mich weniger ärgern. Sonst gar nichts, ich habe nie sehr viel gefacebookt.“
Die Nachteile
Angesprochen auf die aus dem Ausstieg entstandenen Verschlechterungen, bereuten meine drei Ex-Facebook-Kontakte im Prinzip sehr wenig. Am wenigsten Guido: „Nicht das Geringste. Von den 1000 Freunden, die ich stillgelegt habe, kannte ich ca. 950 überhaupt nicht. Mit den anderen 50 hab ich sowieso realen Kontakt.“ Fabian konnte allerdings doch einen Nachteil feststellen: „Ich werde weniger zu Veranstaltungen oder Parties eingeladen, habe aber im Grunde nicht weniger Kontakt zu meinen Freunden. Ich muss mich aber mehr selbst darum kümmern und aktiver sein.“ Auch Jürgen konnte leichte Defizite beobachten: „Nur ganz selten werde ich gefragt, ob ich auch bei Facebook bin, allerdings tausche ich stattdessen einfach wieder die eMail-Adressen aus. Zu Partys werde ich über meine eMail-Adresse oder per SMS eingeladen. Ich hab das Glück, dass alte Schulfreunde zu meinem engsten Freundeskreis zählen. Somit hat sich für mich durch den Ausstieg bei Facebook kaum etwas verschlechtert.“
Und wie steigt man aus?
Wer jetzt auf die Idee kommt, sein Facebook-Konto ebenfalls löschen zu wollen, der folgt dieser Anleitung, die ich für Futurezone.at geschrieben habe. Berücksichtigen sollte man aber vorher, dass man dann möglicherweise keinen Zugang zu Web-Diensten mehr hat, bei denen man sich mit seiner Facebook-ID angemeldet hat – allen voran der Musik-Service Spotify (mein Blog-Artikel dazu), der nur mit einem Facebook Account verwendet werden kann.
P.S.: Die Interviews mit den drei Aussteigern wurden via SMS, eMail und Telefonat eingefädelt bzw. durchgeführt.