Nach Chat, Direktnachrichten, Pinnwandeinträgen, Statusmeldungen, SMS und E-Mail jetzt also Videoanrufe: Facebook addiert ein weiteres Mal zu den mittlerweile vielen Möglichkeiten zur Kommunikation mit anderen Facebook-Mitgliedern einen neuen Kanal hinzu. Mit einem Klick kann man einen Kontakt – sofern er gerade eingeloggt ist – anrufen und in einen Videochat einladen. Die Funktion soll in den nächsten Wochen für alle 750 Millionen Facebook-Mitglieder freigeschaltet werden. Wer es sofort ausprobieren möchte, surft auf www.facebook.com/videocalling und startet die Funktion für sein Profil. Anders als Mark Zuckerberg bei der Präsentation der neuen Funktion behauptete, muss man eine kleine Software installieren, damit man Videochats verwenden kann.
Technologie von Skype
Wer sich Großartiges erwartet, sollte gewarnt sein: Facebooks Videoanrufe sind von minderer Qualität, wie ich in einem ersten Test festgestellt habe. Die Bild- und Tonqualität sind eher rauschend als berauschend. Umgesetzt hat die Funktion der bekannte VoIP-Dienst Skype, und das ist kein Zufall: Skype wurde vor einem Monat von Microsoft um 8,5 Milliarden Dollar aufgekauft (Berichte dazu hier und hier), und Microsoft und Facebook sind schon seit 2007 Partner. Damals schnappte sich der Software-Riese um 240 Millionen Dollar 1,6 Prozent von Facebook und hat seither das Online-Netzwerk in viele seiner Produkte integriert (z.B. Bing, Xbox360, Docs.com, Windows Phone 7).
Mit dem Launch von „Video Calling“ sind die Fronten klar gezeichnet: Der Facebook-Skype-Microsoft-Pakt positioniert sich auch in diesem Geschäftsfeld gegen seine Hauptkonkurrenten Apple und Google. Steve Jobs` Firma hat mit „Facetime“ seine eigene Lösung für Video-Chats in der abgeriegelten Apfel-Welt, Google mit seinen in Google+ (mein Test dazu hier) integriertes „Hangouts“ sein kostenloses Videochat-Angebot. Interessant an der Konstellation ist hier auch wieder der Handy-Hersteller INQ Mobile aus Großbritannien: Die von Facebook-Investor Li Ka-Shing unterstützte Firma hat bereits Skype- und Facebook-Handys auf den Markt gebracht – ein Facebook-Handy mit Skype-Videoanrufen ist vielleicht schon längst überfällig.
Video-Chat ist kaum gefragt
Warum sich plötzlich die Top-Marken des Silicon Valley auf die Videotelefonie stürzen, ist auf den ersten Blick nicht ganz klar: Laut einer Studie des VoIP-Anbieters Rebtel (ReadWriteWeb-Bericht hier) nutzen 13 Prozent der US-Amerikaner Videochats, um mit Familienmitgliedern zu kommunizieren, 9 Prozent rufen damit bei Freunden an und 6 Prozent turteln per Videocall mit Freund oder Freundin. Das sind alles andere als berauschende Zahlen, da demnach viel mehr über herkömmliche Sprachanrufe, SMS, E-Mail, Online-Netzwerke usw. kommuniziert wird. Google, Apple, Microsoft und Facebook bieten Videocalls derzeit in erster Linie nur dazu an, um mit der Konkurrenz in Sachen Features auf Augenhöhe zu bleiben. Langfristig gesehen birgt die Videotelefonie aber Potenzial in sich: Denn wer Video übertragen kann, kann auch Sprache übertragen. Voicecalls gepaart mit den Handy-Betriebssystmen, die Apple, Google und Microsoft haben, sollte das den Telcos (die derzeit gerade ihre Cashcow SMS an Handy-Apps wie WhatsApp verlieren) dieser Welt einiges zu denken aufgeben.
Angst vor Überwachung
Datenschützern und Aktivisten gibt derzeit zu Denken auf, dass Microsoft ein Patent zum Abhören von Skype besitzt (futurezone-Bericht hier). Dieses kann Ermittlern dabei helfen, Gespräche über Skype (also jene bei Facebook integrierte Technologie, die vor gar nicht langer Zeit als abhörsicher galt) abzufangen, zu überwachen, aufzunehmen und zu speichern. Das geht viel weiter als die Vorratsdatenspeicherung, die Mobilfunker in Zukunft dazu verpflichtet „Telefon- und Internetverbindungsdaten sechs Monate lang zu speichern und auf gerichtliche Anordnung bei Verdacht einer schweren Straftat den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln“ (Quelle: Wikipedia). Während der Staat so lediglich Zugriff auf die Info bekommt, wer wann mit wem telefoniert, kann man bei Facebooks Videochats mit der entsprechenden Software auch ermitteln, was die Nutzer sagen.
So heiß, wie gekocht wird, wird selten gegessen: Denn während sich einige Nutzer vor der Überwachung ihrer Videotelefonate fürchten, fürchten sich einige Staaten vor dem (ohne Patent) schwer abzuhörenden Skype. Wie Techrunch Europe, sind die Vereinigten Arabischen Emirate eines von vier Ländern, das derzeit Skype für seine Einwohner blockt. In China ist Skype ein beliebtes Tool von Dissidenten, weswegen nichtsahnende Nutzer im Internet auf TOM-Skype umgeleitet – Gespräche, die über die dort erhältliche Software laufen, können von der chinesischen Regierung mitprotokolliert werden.