Zeitverschwender, Stalker, Daten-Stripper – über Facebook-Nutzer gibt es viele Vorurteile. Doch was weiß eigentlich die Wissenschaft über die Mitglieder des Online-Netzwerks? Eine ganze Reihe an Studien zeichnet in der Summe ein deutliches Bild über sie, die ich im Folgenden kurz zusammengefasst habe.
1. Stärkung schwacher Kontakte: Die österreichische Soziologin Bernadette Kneidinger (“Facebook und Co. Eine soziologische Analyse von Interaktionsformen in Online Social Networks”) hat die Beziehungsgeflechte von Facebook-Nutzern näher untersucht. Zum Nachrichtenmagazin Profil sagte sie: „Wir haben im Zuge unserer Studie erhoben, dass vor allem relativ schwache Sozialkontakte, zum Beispiel zu Arbeitskollegen oder entfernten Bekannten, durch Facebook intensiviert werden.“ Diese Beziehungspflege setze sich aber auch jenseits von Facebook fort: „Man verlagert die Kontakte auch ins Reale: Es wird wieder öfter telefoniert, man trifft sich.“ Das bedeutet, dass Facebook eine Intensivierung der Sozialkontakte auch in der Offline-Welt zur Folge hat.
2. Intensiveres Sozialleben: Eine im Jänner 2011 veröffentlichte Studie des Pew Research Center, bei der 2300 US-Bürger über 18 Jahren befragt wurden, bestätigt genau das. Untersucht wurde der Einfluss der Internet-Nutzung auf die Aktivitäten in zivilen, sozialen oder religiösen Gruppen. Internetnutzer waren eigenen Angaben zu 80 Prozent in einer Gruppe Mitglied, während nur 56 Prozent derjenigen, die nicht regelmäßig online sind, aktiv in einem Verein oder dergleichen waren. Vor allem Mitglieder von Online-Netzwerken wie Facebook und Twitter führten ihre Offline-Aktivitäten auf ihre Online-Nutzung zurück.
3. Geltungsdrang: Eine Studie der US-Psychologen Michael Stefanone, Derek Lackaff und Devan Rosen von der Universität in Buffalo, New York, von 311 College-Studenten zeigte Anfang 2011, dass weibliche und jüngere Facebook-Nutzer länger eingeloggt sind und mehr Fotos posten als andere Nutzer. Genau diese Nutzer stufen laut Studie ihr Selbstwertgefühl vor allem auf Basis der Bewertungen durch andere ein. Offenbar sehen sich Personen, die erhöhten Geltungsbedarf durch andere brauchen, dazu gedrängt, mehr Inhalte über sich bei Facebook zu veröffentlichen.
4. Ursache für Stress: Eine Untersuchung von Psychologen der Edinburgh Napier University in Schottland zeigte auf, dass Angst- und Stresszustände mit der Zahl von Facebook-Freunden korreliert. 12 Prozent der insgesamt 175 Befragten gaben an, dass Facebook Angstgefühle in ihnen wecken würde. Diese Personengruppe hatte im Schnitt 117 Facebook-Freunde, während jene 88 Prozent, die wegen Facebook keine Angstzustände hatten, im Schnitt 75 Freunde hatten. Außerdem gaben 32 Prozent an, dass sie sich schuldig fühlen würden, wenn sie Freundschaftsanfragen ablehnten – weswegen wohl 63 Prozent der untersuchten Personen die Beantwortung dieser Freundschaftsanfragen auf die lange Bank schoben.
5. Blindes Vertrauen: Ein Versuch der IT-Sicherheitsfirma Sophos aus dem Jahr 2007 zeigte, dass Facebook-Nutzer sehr vertrauenswürdig auch gegenüber Fremden sind. Über ein neu angelegtes Profil eines Plastikfrosches mit dem Namen ‚Freddi Staur‘ (ein Anagramm für ‚ID Fraudster‘) wurden per Zufall 200 Nutzer um Freundschaft gebeten. 41 Prozent akzeptierten die betrügerische Freundschaftsanfrage und gaben den Sophos-Forschern damit Zugriff auf sensible Daten wie eMail-Adresse, Wohnadresse oder Handynummer.
6. Eßstörungen: Ein Forscherteam rund um Professor Yael Latzer der Universität in Haifa behauptet, dass ein Zusammenhang zwischen Bulimie und der häufigen Nutzung von Facebook besteht. Untersucht wurden 248 Mädchen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren. Je mehr Zeit die Mädchen bei Facebook verbrachten, desto häufiger haben sie an Bulimie oder Anorexie gelitten, waren unzufrieden mit dem Körper, besaßen ein negatives Selbst-Bild vom Körper, zeigten eine negative Einstellung zum Essen und desto größer war der Drang nach einer Diät.
7. Privatsphäre erwünscht: Einer Erhebung der US-Wissenschaftlerin Danah Boyd und ihrer Kollegin Eszter Hargittai von der University of Illinois (Chicago) kommt zu den Schluss, dass Jugendliche im Jahresvergleich 2009 – 2010 deutlich öfter die Privatsphäre-Einstellungen von Facebook nützten als früher. Befragt wurden 1094 Studenten der Universität. Die sehr detaillierten Ergebnisse von Boyd und Hargittai decken sich mit der JIM-Studie (PDF) in Deutschland: Dort haben Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren (1208 Befragte) 2009 etwa knapp die Hälfte, 2010 bereits zwei Drittel ihre Privatsphäre-Einstellungen so eingestellt, dass nur mehr ein eingeschränkter Personenkreis auf ihre Daten zugreifen dürfen.
8. Suche nach Menschen: Eine Studie vom Oktober 2010 von Psychologen der University of Missouri hat ergeben, dass Facebook-Nutzer “Social Searching” viel intensiver betreiben als “Social Browsing”. Das heißt, dass sie gezielt nach Informationen über Personen, Gruppen oder Events gehen und weniger passiv Neuigkeiten im Newsfeed suchen. Das “Social Searching” bringt zudem mehr Glücksgefühle. Getestet wurden 36 Personen bei Surfen auf Facebook.com, indem ihre Haut- und Gesichtsreaktionen gemessen wurden.
9. Narzisstisch: Eine Untersuchung an der York University in Toronto hat ergeben, dass Facebook-Nutzung eng mit Narzissmus zusammenhängt. Die Psychologin Soraya Mehdizadeh untersuchte 100 College-Studenten und deren hochgeladene Fotos, Status-Updates und Pinnwandeinträge. Nutzer mit geringerem Selbstbewusstsein verbrachten mehr Zeit (> 1 Stunde) pro Tag bei Facebook und luden mehr Informationen hoch, die die eigene Person in ein besseres Licht rückten (“self-promotional”). Gleiches galt für narzisstisch veranlagte Personen.
10. Depressionen: In der wissenschaftlichen Zeitschrift Pediatrics warnt eine Gruppe Ärzte vor der „Facebook Depression“. Vor allem Jugendliche würden sich. „Die Popularität von Social Networking im Web hat Forscher ein neues Phänomen namens `Facebook Depressions` identifizieren lassen“, so der wissenschafltiche Artikel. So könnten sich klassische Depressions-Symptome entwickeln, wenn Teenager zu viel Zeit auf Netzwerk-Seiten verbrächten. So könnte etwa der Content anderer, die sich ständig in glücklichen Zuständen darstellen, bei anderen Personen Traurigkeit u.ä. hervorrufen. Nutzer befinden sich zudem immer im direkten Vegleich mit den anderen in Bezug auf Zahl der Freunde, Pinnwand-Einträge, Likes etc.