Plattenladen 2.0: Musik-Streaming-Dienst Spotify will als Talentschmiede aufgeigen

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Spotify hat es geschafft, meinen Musikkonsum zur Gänze zu erobern. Ich kaufe keine MP3s mehr, höre kaum noch Radio, über CDs brauchen wir gar nicht reden. ich bin aber nicht alleine: 24 Millionen User hat der Musik-Streaming-Dienst aus Schweden, 6 Millionen davon zahlen eine Premium-Gebühr (4,99 bzw. 9,99 Euro/Monat). Trotzdem steht Spotify weiter in der Kritik, vor allem kleinen Künstlern nur geringe Einkünfte zu bringen. Mit einem neuen Programm will die Firma sein Image geraderücken – und positioniert sich als Karriere-Beschleuniger für junge Musiker.

Beitrag zum Mainstream-Erfolg
Die frühe Verfügbarkeit der Musik von Lorde hat maßgeblich zum Erfolg von Lorde beigetragen auf dem Weg in den Mainstream.” Mit diesem Satz brüstet sich Spotify seit kurzem damit, der 17-jährigen Sängerin Lorde (bürgerlicher Name: Ella Yelich-O’Connor) aus Neuseeland zum Erfolg verholfen zu haben. In den USA schaffte es ihr Titel “Royals”, ein von Lordes souliger Stimme dominierter, grooviger Elektropop-Song, am 12. Oktober den Platz 1 der Single-Charts, verdrängte Miley Cyrus und hängt dort seit Wochen fest – in Österreich und Deutschland landete das Stück immerhin jeweils auf Platz 3. Ursprünglich veröffentlicht wurde “Royals” aber schon am 8. März, Lorde selbst wurde im Frühjahr zum Star in ihrer Heimat Neuseeland. Und da kam dann offenbar Spotify, mittlerweile in 32 Ländern weltweit verfügbar, ins Spiel: Am 19. März wurde “Royals” in dem Musik-Streaming-Dienst veröffentlicht.

Nachdem Spotify-Investor Sean Parker – ja genau, der Napster-Gründer und Ex-Facebook-Mitarbeiter – den Track in seine ziemlich populäre Spotify-Playlist “Hipster International” mit mehr als 800.000 Abonnenten aufnahm, kletterte “Royals” bis Mai auf den ersten Platz der Spotify Viral Charts. Dann wurden Radiosender in den USA aufmerksam, “Royals” tauchte am 10. Juni in den Alt Rock Radio Spins Charts auf. Auf Spotify übernahm der Track nur wenige Tage später den 1. Platz der Charts – zwei Wochen, bevor es der Song überhaupt in die Billboard Charts der USA schaffte. Laut Spotify ist “Royals” nach “Get Lucky” von Daft Punk und “Blurred Lines” Robin Thicke feat. Pharrell der meistgeteilte Titel des Jahres – und dieses Share-Feuerwerk dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass es eine junge Musikerin vom anderen Ende der Welt in die internationalen Charts geschafft hat, Konzerte in New York gibt und einen 1,9-Millionen-Euro-Plattenvertrag abgestaubt hat.

Vom Plattenladen 2.0 zur Plattenfirma 2.0
So verkauft zumindest Spotify die Story. Vergessen sollte man nicht, dass “Royals” etwa auch auf YouTube (seit der Veröffentlichung des Videos Mitte Mai mit 27 Millionen Views) und auf Soundcloud (seit Jänner mehr als 9 Millionen Plays gesammelt) veröffentlicht wurde. Zum Vergleich: Auf Spotify wurde der Song fast 50 Millionen Mal abgespielt – und da die Veröffentlichung des ersten Lorde-Albums “Pure Heroine”, wo “Royals” enthalten ist, allein in der ersten Woche in den USA zehn Millionen Abrufe generierte, muss man davon ausgehen, dass bis heute der Großteil dieser 50 Millionen Plays erst nach den großen Mainstream-Erfolgen dazugekommen sind.

Nichtsdestotrotz: Spotify hat heute immerhin die Möglichkeit, die Karriere eines Songs bzw. eines Künstlers genau zu tracken bzw. vielversprechende Talente seiner Nutzerschaft schmackhaft zu machen. Das im Oktober gestartete Programm “Spotlight Artists” soll genau das ermöglichen: Der Musik-Streaming-Dienst präsentiert in der prominent platzierten Rubrik im Web-Player (und später auch in den Desktop-Apps) Nachwuchstalente, die es sich lohnt zu hören. Das Jungkünstler-Marketing-Programm, wie man “Spotlight Artists” auch nennen kann, hat neben Lorde das (übrigens sehr empfehlenswerte) Schwestern-Trio Haim unter die Fittiche genommen, die gerade ähnliche Höhenflüge erleben.

Spotify kann sein Programm, das ein wenig an die Promo-Aktionen (Poster, Aufsteller, besondere Platzierungen der CDs) in Musikgeschäften erinnert, zweierlei nutzen: Zum einen lässt man die Nutzer so neue, spannende Musiker entdecken, und bietet der Musikindustrie einen neuen Marketing-Kanal. Und damit die Plattenfirmen, die alle selbst bei Spotify investiert haben, in dem Programm mitmachen, kommt die Erfolgs-Story von Lorde ganz recht. Und wer weiß, vielleicht wandelt sich Spotify einmal selbst zur virtuellen Plattenfirma, die junge Musiker unter Vertrag nimmt und für sie das weltweite Marketing macht.

Bildcredit: Spotify