Da wurde er vielleicht gelegt, der Grundstein meiner Journalisten/Autoren-Karriere. Mit zarten 21 Monaten griff ich zu Kugelschreiber und Papier und versuchte mich am Schreiben – heraus kam übrigens schriftähnliches Fantasiegekritzel. Hätten meine Eltern damals (Dezember 1983) Internet und Facebook gehabt, wer weiß, vielleicht wären sie auf die Idee gekommen, den Schnappschuss dort stolz herzuzeigen. Heute, fast 28 Jahre später, wundert sich keiner mehr, dass das technisch möglich ist. Vielmehr fragen sich immer mehr Nutzer, ob das Veröffentlichen von Fotos von Kindern überhaupt rechtens ist. Verschiedene Facebook-Gruppen (z.B. hier) haben sich bereits formiert und protestieren virtuellerweise gegen den Trend.
In Österreich und Deutschland sind grob gerechnet vier von fünf Facebook-Nutzern älter als 18 Jahre, jeder zweite Nutzer älter als 25 Jahre – die Menge jener Personen, die bereits ein Kind haben könnten, ist also ziemlich groß. Wer Ende 20 und mit seinen ehemaligen Mitschülern verfreundet ist, wird zunehmend bemerken, dass immer mehr Kinderfotos in den Meldungen („News Feed“) auftauchen. Besonders beliebt scheint bei jungen Müttern zu sein, an ihrer selbst statt Aufnahmen ihrer Babys als Profilfoto zu wählen. Nicht selten werden die Schnappschüsse auch mit den entsprechenden Namen der Kinder markiert – und schwups sind die Minderjährigen, die Facebook gar nicht nutzen dürfen (den Nutzungsbedingungen zufolge erst ab 13 Jahren erlaubt), in dem Online-Netzwerk vermerkt.
Auch Kinder haben Privatsphäre
Weil bei vielen Eltern der Stolz die Vernunft besiegt, könnte das im späteren Leben des Nachwuchses für Probleme sorgen. Folgende Situation ist in US-Komödien und Sitcoms ein Klassiker: Der junge Mann nimmt das erste Mal seine Freundin mit nach Hause, und was fällt der lieben Mutter als erstes ein? Sie präsentiert der neuen Flamme des Sohnes das Familienalbum samt Bade-, Töpfchen- und Wickelfotos, während dem Abgelichteten nichts anderes übrig bleibt, als vor Scham im Boden zu versinken.
Umgelegt auf Facebook passiert etwas Ähnliches – allerdings nicht bloß vor einer Person, sondern im Schnitt vor 130 anderen Menschen, von denen nur die wenigsten echte Freunde sind. Dabei sollten die Eltern, die Fotos des Nachwuchses im Online-Netzwerk veröffentlichen, folgendes wissen: Etwas für 130 Personen zugänglich zu machen, gilt in Österreich “mit großer Wahrscheinlichkeit” als Öffentlichkeit, sagt Lukas Feiler, IT-Rechtsexperte bei der Wirtschaftsanwaltskanzlei Wolf Theiss. Das Hochladen von Schnappschüssen der lieben Kleinen ist also kein Albumblättern im familiären Rahmen, sondern mediale Öffentlichkeit. Feiler meint weiter: “Eltern sollten Fotos ihrer Kinder, die bereits 14 Jahre alt sind, nur mit deren Zustimmung posten. Sind die Kinder jünger als 14 Jahre, so dürfen Eltern grundsätzlich nur Fotos posten, deren Veröffentlichung die Interessen der Kinder nicht beeinträchtigt.” Weil Kinder wie Erwachsene ein Recht am eigenen Bild sowie auf Datenschutz haben, sollte man als Elternteil vor allem Abstand davon nehmen, peinliche Situationen via Facebook zu dokumentieren. Denn rechtlich gesehen tritt man so in einen Interessenkonflikt mit dem eigenen Kind, und das kann kaum Ziel eines verantwortungsvollen Erziehungsberechtigten sein.
Fötus-Erfassung
In der Facebook-Zentrale hält man sich mit solchen Problemchen aber nicht weiter auf, sondern fährt weiter unter Volldampf Richtung Endstation “Gläserne Zukunft”. Seit kurzem erlaubt man den Nutzern, ungeborene Kinder nebst Opa, Tante und Neffe als Familienmitglied einzutragen. Will man damit eigentlich dem Usus vorbeugen, dass Eltern in voller Vorfreude quasi pränatal Profile für ihren Nachwuchs anlegen, könnte das neue Feature in Zukunft aber für schaurige Komplikationen sorgen. Eine junge Mutter könnte ungewollt ihren Chef über die Schwangerschaft informieren, und wie der “Freundeskreis” später auf Totgeburt oder Adoptionsfreigabe reagiert, mag sich wohl niemand so genau ausmalen.
Jungeltern, die Facebook verfallen sind und nicht den Mauszeiger vom Hochlade-Befehl lassen können, ist deswegen klipp und klar Folgendes zu raten: Warten Sie, bis Ihr Kind 14 und damit beschränkt geschäftsfähig ist, und bitten Sie es dann um Zustimmung zur Veröffentlichung der Kindheitserinnerungen. Und falls Sie dann mit Ihrem Teenager keine wichtigeren Generationskonflikte ausfechten müssen, freuen Sie sich über die milde Form der Pubertät.