Start-up Erdbeerwoche.com: „Selbst unter Frauen ist die Regel nach wie vor ein Tabuthema“

Bettina Steinbrugger und Annemarie Harant gründeten Erdbeerwoche.com. © Jakob Steinschaden

Bettina Steinbrugger und Annemarie Harant gründeten Erdbeerwoche.com. Im Bild vorne: Erdbeeren. © Jakob Steinschaden

Biotampons, Biobinden und wiederverwendbare Produkte für die Monatshygiene: Das österreichische Startup Erdbeerwoche.com („Erdbeerwoche“ ist ein norddeutscher Begriff für Menstruation), das Annemarie Harant und Bettina Steinbrugger gegründet habn, will das Thema Nachhaltigkeit im Bereich der Frauenhygiene vorantreiben. 2015 steht neben der Expansion nach Deutschland und in den CEE-Raum auch die Bewusstseinssteigerung bei Gynäkologen und an Schulen an.

Biolebensmittel und Biokleidung sind ganz normal, aber der Bereich, der die empfindlichste Stelle des weiblichen Körpers betrifft, wird von der Nachhaltigkeitsdebatte noch sehr stark ausgeklammert”, sagt Erdbeerwoche.com-Gründerin Annemarie Harant im Gespräch. “Selbst unter Frauen ist die Regel nach wie vor ein Tabuthema.” Deswegen haben sie und ihre Geschäftspartnerin Bettina Steinbrugger 2013 einen Online-Shop ins Leben gerufen, in dem Kundinnen nachhaltige Bioprodukte für die Menstruation kaufen können. Die sind zwar etwa 30 Prozent teurer als Tampons oder Binden aus dem normalen Handel, dafür aber auch gesünder, weil sie etwa ohne Kunstofffasern und genmanipulierte oder mit Pestiziden versetzte Baumwolle auskommen. Derzeit hält man etwa bei 5000 Kundinnen (Topseller ist die Menstruationskappe, die fünf bis zehn Jahre verwendbar ist und bis zu 2000 Tampons ersetzen kann), 2014 konnte der Umsatz verdoppelt werden, und bei der Grazer Konferenz Marketing Rockstars konnte Erdbeerwoche.com den ersten Platz bei einem Start-up-Wettbewerb gewinnen.

Gegen die Marktführer

Als junges Mädchen wird man mit Werbung und Darstellungen mit blauer Flüssigkeit bombardiert, was natürlich nichts mit der Realität zu tun hat. Man verwendet von Anfang an, was Mama einem gibt oder was die Werbung empfiehlt und bleibt dann dabei”, sagt Steinbrugger. Die beiden Procter & Gamble (“Always”) und Johnson & Johnson (“ob”) hätten in den vergangenen 60 Jahren keine wesentlichen Innovationen im Bereich der Frauenhygiene gebracht, und das wolle man nun endlich ändern. “Das erste Biotampon wurde schon vor 20 Jahren erfunden, aber es weiß niemand davon. Wir wollen das Thema mit Fakten und Humor vermitteln und so aufzeigen, welche Alternativen es gibt”, sagt Harrant. Erdbeerwoche.com ist dabei nicht selbst der Hersteller, sondern fungiert als Reseller von Produzenten aus Großbritannien, Italien und Finnland. Diese Partner, mit denen man in der Produktweiterentwicklung zusammenarbeitet, bieten ein komplettes Tracking der Materialien und Zertifizierungen, damit Frau nachvollziehen kann, wo die Produkte genau herkommen.

Zwischen den beiden Marktführern wittert Erdbeerwoche.com eine fruchtbare Nische. Einer eigenen Umfrage unter 215 Frauen zufolge geben 37 Prozent an, dass nachhaltige Frauenhygieneprodukte Situation verbessert hat (weniger Hautirritationen, Pilzinfektionen, etc.), 55 Prozent sagen, dass nachhaltige Frauenhygiene ihre Regelerfahrung positiv verändert hat. Ein Problem von herkömmlichen Produkten: Wegen der Chlorbleiche wurden schon Dioxinrückstände festgestellt, die an der intimsten Stelle des weiblichen Körpers eigentlich nichts zu suchen haben.

Ja, so sieht eine Menstruationskappe aus. © Erdbeerwoche.com

Ja, so sehen Menstruationskappen aus. © Lunette

Expansion und Investorengespräche

Heuer ist ein ganz wichtiges Jahr für uns”, sagt Steinbrugger, 2015 wolle man es wissen. So ist nicht nur die Expansion nach Deutschland angedacht, sondern auf die Bewusstseinsbildung bei Gynäkologen und jungen Frauen mittels Aufklärungskampagnen an Schulen. “Viele Frauen etwa wissen nicht, dass man Tampons nur fünf, sechs Stunden im Körper lassen und nicht die ganze Nacht verwenden sollte”, so Steinbrugger. Auch das Geschäftsmodell selbst soll erweitert werden: Angedacht ist ein Abomodell, wie es sie bereits im Bereich von Männerprodukten wie Rasierklingen gibt. Allerdings: “Das ist in Planung, aber es ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht. Der Zyklus der Frau ist nicht so exakt vorherzusagen. Mal ist die Menstruation stärker, mal schwächer, weswegen jede Frau unterschiedliche Produkte in unterschiedlichem Ausmaß braucht”, so Harant.

Außerdem laufen erste Gespräche mit Investoren (bis dato hat Eigenkapital das Start-up finanziert), mit deren Hilfe der Ausbau des Geschäfts gelingen soll. “Wir sind als Frauen beim Start anders vorgegangen als viele Männer”, sagt Steinbrugger. “Wir wollten zu Beginn bewusst keine Investoren und Förderungen, weil wir zuerst schauen wollen, ob sich das Ding selbst trägt. Deswegen sind wir langsamer gewachsen als viele andere Startups, dafür aber auch nachhaltiger.

Dieser Artikel ist zuerst bei
Netzpiloten.de erschienen.

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