Wie viel ist uns Facebook wirklich wert?

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Wenn man den New Yorker Investmentbankern von Goldman Sachs diese Frage stellt, bekommt man dieser Tage eine klare Antwort: 50 Milliarden US-Dollar (38,7 Milliarden Euro). Diese Bewertung hat die Großbank Mark Zuckerbergs Internet-Firma gegeben, als sie kürzlich mit 450 Millionen US-Dollar (348 Mio. Euro) eingestiegen ist. Die restlichen 50 auf das insgesamt 500 Millionen Dollar große Investment hat übrigens die Moskauer Venture-Capital-Firma Mail.ru-Group (ehemals Digital Sky Technologies) von Juri Milner berappt. Damit wird auch klarer, wie Facebook an die der Internet-Branche bisher sehr zurückhaltend gegenüberstehende Wall Street gekommen ist: Goldman Sachs ist an der Mail.ru-Group, der der größte eMail-Anbieter Russlands, das dort führende Online-Netzwerk VKontakte, ICQ sowie Anteile an Facebook, Zynga und Groupon gehören, beteiligt.

Indes ist nicht offiziell bekannt, wie viel Prozent Facebook-Anteile Goldman Sachs eigentlich für sein Geld bekommen hat. Die Milchmädchenrechnung sagt, dass es 0,9 Prozent sein müssten, bestätigt ist das aber nicht. „Man muss sich vor Augen halten, dass ja nur ein sehr kleiner Anteil des Unternehmens verkauft wurde“, sagt Markus Brunnermeier, Professor an der Universität Princeton und Experte für spekulative Blasen, in einem Interview mit Welt Online. „Diese Zahlen auf 100 Prozent der Aktien hochzurechnen ist problematisch.“

Die dem Laien exorbitant erscheinende Summe muss ebenfalls relativiert werden. Zum Vergleich: Im Sommer 2010 hat die Großbank nach Betrugsvorwürfen eine Strafe von 550 Millionen US-Dollar (420 Mio. Euro) an die US-Börsenaufsicht SEC wegen unzureichender Information seiner Kunden zahlen müssen. GS machte in dem Krisen-Quartal trotzdem einen Gewinn von 453 Millionen Dollar. Das Facebook-Investment ist für die Wall-Street-Banker nur ein mittelgroßer Deal. Mit der SEC wird man es aber wieder zu tun bekommen, denn diese untersucht die Shareholder von Facebook: Denn sind es mehr als 499, müsste die Firma vier Mal pro Jahr öffentlich Auskunft über seine Finanzen geben. Da GS seine Anteile an seine Kunden weiterverkauft, wird die Beteiligungsstruktur des nicht börsennotierten Online-Netzwerks noch einmal undurchsichtiger.

Zahlenspiele

Im Zuge des GS-Investments sind einige Zahlen an die Öffentlichkeit gesickert: Wie ein Bericht der Presse zusammenfasst, hat Facebook in den ersten drei Quartalen 2010 einen Umsatz von 1,2 Mrd. Dollar und einen Gewinn von 355 Mio. Dollar erzielen konnte. Hochgerechnet auf kolportieren zwei Milliarden Dollar Gesamtumsatz 2010 macht Facebook also einen Gewinn von etwa 596 Millionen US-Dollar. Im Vergleich zu Google zum Zeitpunkt dessen Börsengang sind das erst einmal gute Zahlen: Die Suchmaschine machte 2004, wie PaidContent.org vorrechnet, insgesamt 961,8 Millionen Dollar Umsatz, 105,6 Millionen davon waren Gewinn. Google war damals sechs Jahre alt, also genauso alt wie Facebook heute.

Realistisch ist die 50-Milliarden-Dollar-Bewertung deswegen nich gar nicht: Einem Reuters-Bericht (via WebStandard) zufolge hat Facebook ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 25 (50 Milliarden Bewertung dividiert durch 2 Milliarden Umsatz). Stellt man die gleiche Rechnung für Google an, kommt man nur auf den Faktor 9, bei Amazon lediglich auf 2,5. Die Überbewertung kann, wie der US-Autor Douglas Rushkoff in einem Kommentar für CNN schrieb, nur ein „Cash-out“ bedeuten. „Je länger die Firma (Facebook, Anm.) die Illusion großer Profite ohne eine Entfremdung seiner Nutzerbasis aufrechterhalten kann, desto länger können sie den unausweichlichen Abstieg hinauszögern. Berücksichtigt man, dass sie begonnen haben, ihre Chips einzutauschen, wird dieser Moment sehr bald kommen“, schreibt Rushkoff. Frühe Investoren wie Accel Partners oder XING-Gründer Lars Hinrichs haben bereits Anteile verkauft, Goldman Sachs sieht derzeit wohl den letztmöglichen Zeitpunkt, deutlich positiv aus einem Investment auszusteigen. Für alle anderen Geldgeber, die jetzt noch bei Zuckerberg einsteigen wollen, liegt die Latte sehr hoch.

Die Folgen für die Nutzer

Was in der Diskussion über den zwingenden Börsengang 2012 völlig vergessen wird, sind die Nutzer. Sie machen die Webseite zu dem, was sie ist, denn ohne die Mitglieder wäre Facebook eine gähnend leere Webseite in Blau-Weiß. Während andere Millionen scheffeln, sind aber sie jene, die von einem IPO direkt betroffen sind. Man kann sich leicht ausmalen, wie dann mit den Nutzerdaten umgegangen werden wird. Der Aktienkurs sinkt? Kein Problem, wir erhöhen den Werbedruck und erfinden ein paar neue Funktionen, um noch mehr Informationen aus den Nasen der Nutzer zu ziehen. Partnerfirmen wie Zynga, Pandora, TripAdvisor u.v.m. würde man zudem weitere Zugeständnisse machen, in welchem Umfang sie Zugriff auf die Datenbank bekommen, damit sie weiter ihre Dienste und Apps für die Plattform anbieten.

Damit würde die auch die Grundeinstellung, dass die Mitglieder nicht Kunden, sondern Produkte sind, vertieft. Das derzeitige Geschäftsmodell von Facebook ist die maßgeschneiderte Werbung. Angenommen, morgen würde niemand mehr auf das Online-Netzwerk zugreifen, wäre dort nichts mehr, womit Facebook Geld machen könnte – anders als etwa Amazon, dem ohne Nutzer wenigstens die Warenbestände in ihren riesigen Lagerhallen bleiben würden.

Mitglieder, nicht Banken sollen bewerten

Den wahren Wert von Facebook könnte man meiner Meinung nach übrigens sehr leicht erheben: Indem sich Zuckerberg, der sich ja als Weltverbesserer sieht, vom Profitstreben verabschiedet und die sicher nützliche Facebook-Infrastruktur nach dem Wikipedia-Modell finanziert – Spenden. Die Wikimedia Foundation hat im vergangenen Jahr 16 Millionen Dollar gesammelt, um den Betrieb für 2011 zu sichern. Die Online-Enzyklopädie hat offiziellen Zahlen zufolge 400 Millionen Nutzer pro Monat, berechnet pro Nutzer also 4 Cent Jahreskosten. Das Geld ist jedes Jahr, trotz teilweise wesentlicher Steigerungen, schnell eingesammelt.

Die Nutzerkosten pro Jahr betragen bei Facebook offensichtlich grob 2 Euro (1,08 Milliarden Euro Ausgaben dividiert durch 500 Millionen Nutzer). Wenn den Usern das Online-Netzwerk so wie das Web-Lexikon ans Herz gewachsen ist, wären sie sicher bereit, diese 2 Euro Jahresgebühr zu zahlen, bzw. würden sich sicher einige Millionäre finden, die größere Summen spendieren. Und damit bekäme man auch gleichzeitig eine viel realistischere Einschätzung, wie viel Facebook wirklich wert ist.

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