Nach der großen Facebook-Kränkung: Die verrückte Massenauswanderung aus WhatsApp

Einfach raus hier - aber wo hin??? © WhatsApp, Threema, Telegram, Montage: Jakob Steinschaden

Einfach raus hier – aber wo hin??? © WhatsApp, Threema, Telegram, Montage: Jakob Steinschaden

Als am vergangenen Mittwoch Abend die Meldung über die WhatsApp-Übernahme durch Facebook über das Internet hereinbrach, dauerte es nicht lange, bis Online-Medien auf der ganzen Welt Listen und Test zu WhatsApp-Alternativen präsentierten – manche sinnvoll, manche weniger. Besonders Threema (kostenpflichtig) der Schweizer Kasper Systems GmbH und Telegram (kostenlos) der russischen VK-Gründer Pawel und Nikolai Durow profitierten enorm von der Trotzreaktion vieler WhatsApp-User. Threema freute sich über eine Verdopplung seiner Nutzerzahlen auf 400.000 in nur 24 Stunden, Telegram will seit WhatsApp-Ausfalls satte 5 Millionen Downloads verzeichnet haben.

Berechtigte Ängste vor der Datenkrake
Dass die rund um Datenverschlüsselung aufgebauten Messaging-Apps so regen Zulauf hatten, resultiert vor allem aus dem Reflex vieler: “Wenn sich die Datenkrake Facebook jetzt unsere WhatsApp-Chats, dann ohne mich!” Klar: Wie auch im Zuge der Instagram-Übernahme ist davon auszugehen, dass Facebook Daten von Nutzern seiner neuen Tochterfirma mit bestehenden Facebook-Profilen kombiniert, um so ein schärferes (und besser vermarktbares) Bild von den Usern zu erhalten. Wenn es schon keine Werbung direkt in WhatsApp geben soll – in anderen Apps könnte Facebook den Nutzern dann aber shr wohl personalisierte Ads präsentieren. Das große Unbehagen gegenüber dem neuen WhatsApp-Eigentümer (nun ja, Fast-Eigentümer, die Wettbewerbshüter müssen den Deal noch absegnen) resultierte also in einem Boom der Alternativ-Apps, der allerdings relativ zu sehen ist: Denn pro Tag legt WhatsApp weltweit um eine Million Nutzer zu.

Nur Downloaden reicht (wie immer) nicht
Doch zwischen Download und Nutzung ist ein großer Unterschied, wie auch ich feststellen musste. Schon in der Nacht auf Donnerstag begannen Bekannte (ironischerweise auf WhatsApp) zu schreiben, wo man denn nun fortan privat chatten solle. Die Wahl fiel schnell auf Threema – nicht zuletzt deswegen, weil viele Medien die Schweizer App ob ihrer Sicherheits-Features lobten. Also entschieden sich eine Handvoll Freunde, sich Threema zu kaufen – und sofort begannen die ersten Troubles. Leute fanden nicht sofort zueinander, weil Threema seinen Usern eigene IDs zuteilte und nicht jeder gleich sein Adressbuch synchronisierte; andere mockierten sich über die fehlende Möglichkeit, sich selbst ein eindeutiges Profilbild zuteilen zu können; und wieder andere konnten Threema gar nicht installieren, weil sie zwar ein Android-Smartphone, aber keines mit der erforderlichen Version 4.0 oder höher hatten. Schließlich gab es auch Kritik am Logo, und ja, das ist ebenfalls relevant: Menschen legen auch auf App-Icons wert, die den Look ihres Allerheiligsten (das Smartphone) mitprägen und sie jeden Tag anschauen müssen. Und: Befreundete Nutzer auf der anderen Seite des Planeten kratzte die Diskussion über den Umstieg, die offenbar vor allem im Datenschutz-affinen Mitteleuropa geführt wird, überhaupt nicht – und whatsappen munter weiter.

…und am Ende gewinnt dann doch WhatsApp
Während nun der Freundeskreis damit kämpfte, seinen Weg von A (WhatsApp) nach B (Threema) zu finden, ging plötzlich die nächste Welle, diesmal mit Telegram, los. Vor allem ausgelöst durch das WhatsApp-Blackout am Samstag, installierten sich offenbar 100 Nutzer pro Sekunde die russische Messaging-App, bei der aber nicht ganz klar ist, ob sie wirklich so sicher ist, wie die Entwickler behaupten – was dann wiederum die auf Sicherheit Bedachten davon abhielt, auf Telegram zu wechseln. Und so findet man folgende Situation auf vielen Smartphones: Im Messaging-App-Ordner liegen nun Threema und/oder Telegram schön Seite an Seite neben WhatsApp, und wen man jetzt am besten wo erreicht, weiß man nicht so recht. WhatsApp will man vorerst auch nicht deinstallieren, solange nicht endlich alle Freunde auf eine Alternative gewechselt sind. Nein, Mark Zuckerberg und WhatsApp-Gründer Jan Koum müssen keine Angst haben, dass ihnen künftig die Messaging-Nutzer weglaufen. Und wenn ja: Facebook kann Threema und Telegram dann immer noch einen Haufen Geld für die Übernahme anbieten.

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2 Gedanken zu “Nach der großen Facebook-Kränkung: Die verrückte Massenauswanderung aus WhatsApp

Zitiert von
  1. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese Reaktion von vielen eine Kurzschlussreaktion war, denn auch in meinem Freundeskreis ist schon längst Ruhe in das ganze Thema gekommen und viele nutzen wieder Whatsapp. Totzallem bin ich sehr gespannt, wie die nächsten Monaten verlaufen werden und wie sich die Zahlen entwickeln.

    • Hi,

      danke für den Kommentar. Ja, ich denke, es war bei vielen eine emotionale und keine rationale Reaktion. „Alles, bloß weg von hier“, hieß es. Dann haben viele Threema ausprobiert, war zu kompliziert, dann rüber zu Telegram, wo sich nachher herausstellt, dass das auch nicht so sicher ist wie behauptet, aber Hauptsache, die haben das schönere Logo und können Hintergrundbilder.

      Ich hoffe, dass Heml.is bald fertig ist, weil da Usability, schönes UX und Security berücksichtigt wird.

      lg, Jakob